Auf der Suche

michaelDatum: Sonntag, der 04.01.2015
Mittagsposition: 09°34,9′ N; 078°40,7′ W
Etmal: 0 sm
Wetter: Lufttemperatur: 27,5°C, Wassertemperatur: 28,5°C, Wind: ENE 1-2
Autor: Michael

Es raschelt. In der Dunkelheit blitzt ein Paar rötlich glühender Augen auf. Etwas flitzt den Gang entlang und schlüpft in den Spalt zwischen Gang und Tür in Kammer 7. Die Augen zucken unruhig hin und her, fixieren sich aber dann auf einen Gegenstand, der unbedarft auf die untere Steuerbord-Koje gelegt wurde.
Am nächsten Morgen dann das böse Erwachen. Ein Schüler packt seine Hängematte, in der er die Nacht verbracht hat, zusammen und schlendert fröhlich und seelenruhig in seine Kammer. Kurz darauf hört man einen Schrei: „Wo zum Henker ist schon wieder mein Tagebuch?!“

Wir sind 50 Personen auf einen ca. 50 Meter langem Schiff. Und trotzdem erlebt man hier ein seltsames Phänomen. Gegenstände verschwinden sogar in unseren etwa 5 m² großen Kammern für ein paar Tage spurlos. Das besagte Tagebuch, es war meines, ist übrigens ein paar Tage später in meiner Unterkoje aufgetaucht. Und mittlerweile denke ich wirklich, dass ein kleines Monster dafür verantwortlich ist, anders ist das alles nicht zu erklären.

Einige Zeit später: Wir wollen Großreinschiff machen, da wir heute die San-Blas Inseln verlassen und nach Portobello verholen. Da gilt es, die Wache zusammenzutrommeln. Doch, es ist verrückt, auf dem kleinen Platz ist die Hälfte der Wache plötzlich spurlos verschwunden. Nach 10 Minuten intensiver Suche gebe ich auf und schlurfe zurück in die Messe. Aber Überraschung: alle sitzen schon da und sagen, etwas genervt zu mir: „Wo warst du denn? Wir warten hier schon ungefähr seit 10 Minuten auf dich!“

Auf der Thor gibt es viele besondere Ecken und Winkel, in denen sich gut Sachen verkriechen können. So tauchen auch etwa drei Wochen nach dem Umzug Gegenstände der Ex-Bewohner der Kammer auf. Die Freude ist groß, wenn sehnlich Vermisstes endlich wieder auftaucht, meistens bei der Lost-and-Found-Versteigerung am Samstag.
Ich gehe weiter übers Deck. Da fragt mich die Backschaft, ob ich vielleicht kurz beim Spülen helfen könnte. „Ja, gern“, sage ich. Aber, wer hätte es geahnt, meine Schuhe sind verschwunden. Eine halbe Stunde später bin ich einen Schuh reicher, er war unter der Backbord-Nagelbank versteckt, aber wegen dem anderen bin ich völlig am Verzweifeln. Ich lasse mich auf die Backskiste fallen und überlege noch einmal genau, wo er denn sein könnte. Mein Blick fällt nach unten und ich sehe etwas Blaues aufleuchten. Ich betrachte es genauer und entdecke darin meinen Schuh, der unter der Backskiste klemmt. Und ich habe wirklich keine Ahnung, wie er da gelandet sein könnte.

Unser Schiff hat aber auch eine Sache, die jeder noch sucht: Das Mastgeheimnis. Angeblich soll ganz oben am Schoner- und / oder am Großmast etwas versteckt sein. Es wurden mehrere Exkursionen unternommen, bislang aber alle erfolglos.
Meine Odysee aber geht noch etwas weiter: Mittlerweile habe ich Freizeit und will ein Paar Leute zum Schafkopfen finden. Drei weitere bräuchte ich dazu. Aber ich suche in der Messe, auf Haupt- und Achterdeck, am Deckshaus, im Deckshaus, in den Kammern und sogar der Last statte ich einen Besuch ab. Niemand. Obwohl wir nicht mehr ans Land fahren, scheint das Schiff wie ausgestorben. Völlig gereizt von dem bisherigen Verlauf des Tages, schnappe ich mir mein Buch. In meiner Kammer halte ich inne. Ich habe sofort und ohne zu suchen etwas gefunden. Na geht doch. Und als ich dann so gemütlich in der Messe sitze mit meinem Lesestoff am Schoß sitze, kommt Sarah auf mich zu: „Hey, Michi, da bist du, ich habe dich schon gesucht. Hast du Lust auf eine gemütliche Runde Schafkopf?“

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