Datum: Freitag, der 30.10.2015
Mittagsposition: 54° 01,9′ N; 009° 21,9′ E
Etmal: 40 sm
Wetter: Lufttemperatur: 13° C, Wassertemperatur: 13°C, Wind: SW 1
Autor: Jonas
„Jonas! Jonas, du musst jetzt aufstehen, du hast Wache in 30 Minuten, wir haben draußen 15°C und eine Windstärke von 4. Also zieh dich warm an!“ So beginnt das Ganze jede Nacht aufs Neue, die Fahrwache. Diese wird immer von den Wachgruppen 1 – 4 in 3 Stundenschichten durchgeführt. Ich bin in Wachgruppe 4 und habe damit die Wachzeit von 8 beziehungsweise 20 Uhr bis jeweils 11 beziehungsweise 23 Uhr. Im Allgemeinen gibt es auf der Reise zwei Arten von Wachen. Zum einem die Hafen- oder Ankerwache und zum anderen die Fahrwache. Wie der Name schon sagt, ist die eine Wache, wenn man vor Anker oder im Hafen liegt. Diese Wache ist jeweils eineinhalb Stunden lang und wird immer von zwei Personen gemacht. Die andere Wache ist die auf See, während der Fahrt mit der kompletten Wache, die aus 8 bis 9 Schülern besteht, zusammen.
Genauso wie an den anderen Tagen, wurde ich heute auch um 7:00 Uhr geweckt und habe dann mit meiner Wache zusammen gefrühstückt. Daraufhin hieß es Ölzeug an, Klettergurt krallen und raus an Deck. Dort findet dann die Wachübergabe statt. Die aufziehende Wache bekommt dabei von der abziehenden Wache gemeldet, was in ihrer Wachzeit passiert ist und wichtige relevante Daten mitgeteilt. Darunter fällt zum Beispiel die Fahrtgeschwindigkeit, der Kurs oder welche Segel gesetzt sind. Dann fängt es an:
Wachführer: „Wer will die Maschienenronde machen?“
Angespannte Stille. Keine Finger gehen hoch (Problem: Maschinenraum ist warm, eng und es stinkt ==> seekrank!!!).
Wachführer: „Okay, wer will die Sicherheitsronde machen?“
Angespannte Stille. Keine Finger gehen hoch (Problem: ähnliche Aspekte wie bei der Maschinenronde).
Wachführer: „Alles klar, wer will die Position in die Karte einzeichnen und Wetter zur vollen Stunde ermitteln und notieren?“
Vereinzelte Finger gehen zögerlich in die Höhe.
Wachführer: „Wer will ans Ruder?“
Ein Großteil der Finger geht in die Höhe.
Wachführer: „Wer will in den Ausguck?“
Die Finger schießen in die Höhe, jeder versucht, den Finger am höchsten zu halten und am lautesten „Ich!“ zu rufen.
Ich glaube, jetzt herrscht erst einmal Verwirrung beim Leser bezüglich des Andrangs auf den Ausguck. Also Wetter und Position einzutragen kann interessant sein, dauert nicht allzu lange, allerdings kriegt man auch schnell mal noch eine andere zusätzliche Aufgabe zugeteilt. Deshalb das eher mäßige Interesse der Wachmitglieder. Am Steuer zu stehen, macht eigentlich Spaß und es hilft gegen Seekrankheit, aber durch die Gefahr, dass der Wachführer einen kurzen Blick auf den Kompass werfen könnte, wenn man aus Versehen vom Kurs abweicht, lastet natürlich ein enormer Druck auf dem Rudergänger. Dazu ein kurzer Einblick in den Kopf eines Schülers am Steuer: „Ah, endlich ist mir nicht mehr so übel! Mist schon wieder 5° vom Kurs abgewichen und der Wachführer kommt auch noch. Schnell, schnell! Hui, grad noch so geschafft. Jetzt bin ich gerade sehr gut auf Kurs, schnell den Wachführer irgendwie auf mich aufmerksam machen, sodass er her kommt und das vorbildliche Rudergehen bemerkt.“
Und jetzt kommt das Beste von allem, der heiß begehrte Ausguck. Die Aufgabe des Ausgucks besteht darin, das Meer zu beobachten und nach Tonnen (große Bojen die verschiedene Bedeutungen haben: Fahrwasserbojen, Bojen zur Kennzeichnung von Gefahrenstellen) oder anderen Schiffen etc. Ausschau zu halten. Dort ist eine der wenigen Zeiten an Bord, in der man auch einmal Zeit für sich hat, da man nicht angesprochen werden und sich auch nicht anderweitig ablenken lassen soll. Diese Zeit kann man nutzen, um das Erlebte einfach zu verarbeiten und sich bewusst zu machen, was gerade eigentlich im eigenen Leben passiert. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig und auch schön, da man sich im Nachhinein sonst ärgert, da die Reise mit den Erfahrungen nur so an einem vorbeigezogen ist, ohne dass man es realisiert hat.
Nach der heutigen Wache ging es weiter zu ‚Reinschiff‘, bevor es dann das wohl verdiente Mittagessen gab. Heute gab es für die Nicht-Seekranken Kürbissuppe und für die Seekranken Gemüsebrühe mit Nudeln. Danach hieß es erst einmal hinlegen und schlafen, bevor die Freiarbeit (Zeit in der man sich Themen neu erarbeiten soll und selbstorganisiert lernt) um 16:30 Uhr beginnt. Um 20 Uhr beginnt dann die Wache von vorn, nach der es ins Bett geht, um am nächsten Morgen wieder zur Wache geweckt zu werden. Insgesamt ist die Wache natürlich ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Reise, aber sie kann auch wirklich aufreibend sein. Besonders das Aufstehen, wenn man geweckt wird, ist auf Dauer echt anstrengend.
Liebe Warisa, ich wünsche dir alles Gute und Liebe zu deinem Geburtstag und hoffe, dass du einen schönen Tag hattest und ein tolles und gesundes neues Lebensjahr.
Liebe Grüße Jonas