Datum: Dienstag, der 23.02.2016
Mittagsposition: 25° 00,6′ N; 080° 07,5′ W
Etmal: 177 sm
Wetter: Lufttemperatur: 25,5° C, Wassertemperatur: 25,5°C, Wind: ESE 5-6
Autorin: Melanie
Ich sitze in der Bibliothek und suche ein Rezeptbuch für unser Projekt der kulinarischen Weltreise. Da kommt Lea vorbei und hängt die Liste mit den Tagebuchdaten, in die sich jeder eintragen soll, aus. Das letzte Datum darauf ist der 25.03.16. Der 25.03.16. Wann werden wir wieder in Kiel einlaufen? Am 23.04? Ich bin verwirrt. So schnell geht die Zeit vorbei? Sind wir schon auf der Rückreise? Geografisch gesehen ja, denn wir fahren zum ersten Mal seit Monaten wieder Richtung Osten…
Ich gehe weiter in die Messe und höre aus einer Kammer neben mir: „Der Unterricht bereitet uns schon wieder auf Zuhause vor!“ Zuhause. Dann ist die Reise vorbei. Auch ich bin auf dem Weg nach oben, um dann einen Text zu schreiben, der von den Personen erst nach der Reise gelesen werden soll. Doch dreht sich jetzt alles schon um nach der Reise?
Ich schreibe den besagten Text und lege mich anschließend auf die Ladeluke, um ein wenig zu schlafen. Doch meine Gedanken schweifen ab. Schweifen zu der Zeit vor den großen Landaufenthalten, vor Kuba, vor Panama. Der Tag, an dem ich zum ersten Mal draußen geschlafen habe kommt mir in den Sinn. Das war noch während der Atlantiküberquerung, vor der Ankunft in der neuen Welt. Ich lag auf der Ladeluke wie jetzt. Jedoch schön eingepackt in meinem Schlafsack, auf meiner Luftmatratze und rutschte bei jedem Schaukeln immer noch etwas mehr nach unten. Über mir funkelte ein wunderschöner Sternenhimmel, alle Segel waren gesetzt und standen bauchig im Wind. Ich schlief ein und wurde am nächsten Morgen von den ersten Sonnenstrahlen, die sich durch die Wolken geschummelt hatten, geweckt. Das Meer rauschte. Vorne auf der Back quietschte das ‚Trimm dich‘-Rad bei jedem Tritt, den Ruth machte, rechts und links neben mir schliefen noch alle und eine Welle spülte über das Deck. Das war ein toller, eigentlich unbedeutender Moment, der doch so viel Wirkung hatte, obwohl er kein Ziel oder ein geplantes Highlight unserer Reise war. In diesem Augenblick war es ganz egal, ob die großen Landaufenthalte noch vor uns lagen oder nicht.
Meine Gedanken schweifen wieder zurück ins Hier und Jetzt. Mir kommt der Brief von den Ex-KuSis in den Sinn, in dem stand, dass wir auf die kleinen Dinge der Reise, die ungeplanten und doch wichtigen Momente achten sollen. „Hat mein Sitznachbar eigentlich Grübchen, wenn er lächelt?“, war die Frage und alle schauten ihren Sitznachbarn an und mussten schmunzeln.
Heute Morgen saß eine Taube auf dem Ruderkasten. Den Kopf eingezogen, dick aufgeplustert mit ein paar Körnchen und etwas Wasser in einer Schale, die zuvor aus der Kombüse geklaut worden war, vor dem Schnabel.
Heute Mittag saßen die Leute auf der Nagelbank und provozierten somit Neptun. „Werden sie nun mit der nächsten Welle geduscht und ihr Essen wird gesalzen oder bleiben sie trocken?“, war die Frage.
Gerade brennt in der Kombüse das Fleisch im Bräter an, da das Öl wegen des Seegangs immer wegfließt und in Kammer 6 schwappt eine Welle durch das versehentlich noch offene Oberlicht und überrascht Jana, die ihr Kakaopulver pur löffelt.
Also waren die großen Landaufenthalte nun wirklich das große Ziel unserer Reise und jetzt ist der Traum vorbei? Nein, denn genau diese kleinen Momente machen die Reise aus und genau diese bleiben in Erinnerung, da sie uns die Besonderheit unserer Situation wieder vor Augen führen und uns helfen den schon zum Alltag gewordenen besonderen Tagesablauf zu schätzen. Solche Momente wie auch jetzt, als das Wasser in mein Gesicht klatscht, der Bug ins schäumende Meer peitscht, Wasser über das Deck läuft und sich davon ein kleines Rinnsal seinen Weg ins PK sucht. Die Sonne kitzelt meine Nase und ich setze mich auf. Das ist keine Rückreise, diese Reise geht mindestens so lange weiter, bis wir wieder in Kiel angekommen sind.