Datum: Montag, der 07.03.2015
Mittagsposition: 32° 22,5′ N; 064° 41,0′ W
Etmal: 0 sm
Wetter: Lufttemperatur: 16° C, Wassertemperatur: 19°C, Wind: ENE5
Autorin: Amelie
Die ersten Tage auf See nach Kiel, nach Teneriffa, nach Grenada, ganz extrem nach Panama und auch wieder nach Kuba: Immer hing die Hälfte der Kusis über der Reling oder sie verkrümelten sich in ihren gemütlichen Kojen. In der Backschaft wurde nur das Nötigste getätigt und die Wachen waren absolut am Ende, von der Stimmung ganz zu schweigen. Das gesamte Schiff wirkte jedes Mal wie ausgestorben. Heute ist der letzte Tag auf den Bermudas: Schiffsarbeitentag: Während ich am Vormittag gemeinsam mit Julius und Koko Tampenschalldämpfer an den Steuerbordschlagklappen montiere, überlege ich mir, wie wir dieser unangenehmen Situation dieses Mal entkommen könnten. Nachdem ich noch am Nachmittag gemeinsam mit Linn, Stefan und Koko die Steuerbordwanten geteert habe, ist mir eine simple Anleitung eingefallen:
8 Dinge, die jemand, der von sich weiß, für Seekrankheit anfällig zu sein, am Tag vor dem Auslaufen NICHT tun sollte:
1. – mehr essen, als in den Magen passt, auch wenn das Essen superlecker schmeckt. Aus Erfahrung können viele hier bestätigen, dass es beim zweiten Mal nicht mehr ganz so gut schmeckt.
2. – ein spannendes Buch anfangen. Hat man einmal angefangen, ist es schwer wieder aufzuhören. Schlafmangel begünstigt jedoch die Seekrankheit.
3. – seinen Duschtag auf den Auslauftag legen. Duschen ist für die meisten dann viel zu anstrengend! Es besteht hohe Ausrutschgefahr, da der Boden rutschig ist. Außerdem läuft man beim Versuch sich das Shampoo wieder aus den Haaren zu waschen einen halben Marathon dem Duschstrahl hinterher. Daher bleiben die Bäder die ersten Tage auf See meistens unbenutzt und der Duschtag verzögert sich um weitere zwei bis drei Tage.
4. – Erledigungen, die man bereits an Land abschließen kann, wie beispielsweise Tagebuch schreiben oder Unterkojentauchen (= in die Unterkoje kriechen, seinen Seesack irgendwie öffnen und verzweifelt versuchen, einzelne Gegenstände zu finden und herauszufischen) aufschieben. Die ersten Tage auf See sind durch den wieder gewöhnungsbedürftig schwankenden Untergrund der reinste Horror.
5. – sich für die paar Tage nicht in die Tagebuchliste eintragen. Am praktischsten ist es, sein Tagebuch direkt am Rechner zu tippen. Das geht jedoch nur in der Messe. Seekrankheit und Messe? – Keine gute Kombination.
6. – schnell essen, auch wenn man viel Hunger hat. Heute gab es beispielsweise Spaghetti (!!!) mit Bolognesesauce. Es empfiehlt sich langsam zu essen und gut zu kauen.
7. – einen Plan für die nächsten Tage erstellen, da dieser vom Seekranken nicht einzuhalten ist.
8. – zu wenig trinken, ansonsten bekommt man Halskratzen.
Es gibt aber auch sehr schöne Punkte, die man in den ersten Tagen auf See beobachten kann, wie beispielsweise den Zusammenhalt in unserer Gruppe. Geht es jemandem schlecht, greift man ihm unter die Arme. Hat jemand Heimweh, wird er getröstet. Schwere Zeiten schweißen uns zusammen. Ich liege in meiner Koje in Kammer 4, genieße die letzte Nacht ohne Schiffsbewegung und freue mich, trotz der bevorstehenden Tage auf die nächste Etappe, weil ich weiß, dass ich mich auf unsere zweite große Familie verlassen kann.