Dieter, die Tür

schueler.jonasDatum: Montag, der 28.03.2015
Mittagsposition: Horta, Azoren
Etmal: 0 sm
Wetter: Lufttemperatur: 16° C, Wassertemperatur: 15,5°C, Wind: SSW2
Autor: Jonas

Hallo, erst einmal zu meiner Person, ich heiße Dieter und bin eine Tür. Ich lebe seit 2009 auf der Thor Heyerdahl vor Kammer 9. Das ist eine Zweierkammer. Eigentlich sehr gut im Vergleich zu meinen Nachbarn, die Vierer oder Sechserkammern haben. Aber auch ich werde oft nicht lieb behandelt. Ich meine, meinen Arm kann man ruhig auch benutzen, wenn man die Tür schließt.

Knall! Das hat weh getan und schon zum dritten Mal heute. „Johanna!!!!!!“ ruft Marta. Damit meint sie glaube ich Jonas, einen Bewohner meiner Kammer. Jonas guckt vorsichtig mit schuldbewusstem Blick aus der Kammer und lächelt Marta möglichst schmeichelnd zu. Marta kommt und deutet auf meinen Arm: „Dieses Teil hier, das nennt sich Türklinke, verstehst du? Die kann man runterdrücken und die Tür leise schließen.“ Jonas nimmt ganz vorsichtig meinen Arm, drückt ihn nach unten und zieht mich zu. Mit einem letzten kräftigen Ruck renkt er mein Schultergelenk wieder ein, was durch das viele Zuschlagen leichte Schäden davongetragen hat. Bumm! Ich höre einen Nachbarn ‚Aua!‘ rufen und Marta springt weiter. „Lackschner!!!!“, ich weiß auch nicht, wieso sie ihn nicht einfach Julius nennt, aber er hört sie und versucht, sie mit seinem Charme zu betören, jedoch gelingt es ihm nicht ganz. Geduldig erklärt Marta ihm das Gleiche. Im Laufe des Tages höre ich noch sehr, sehr viele Nachbarn vor Schmerz aufschreien und endlich bemerke ich den Grund, wieso die Kusis heute so oft die Türen aufreißen und wieder zuknallen: Sie ziehen um.
„Kann einer den Vinzent in der Backschaft ablösen? Der ist dran mit umziehen“, fragt Johannes, der Umzugsplaner. „Ja, kann ich machen“, sagt Korbinian. Vinzent geht in die Nachbarkammer und ‚Aua!‘ mein Nachbar schreit auf. Das hat sich nicht gut angehört, sein Arm hängt nun etwas lasch herab. Vinzent kommt mit seinem Seesack aus der Tür heraus getorkelt, „ratsch“ die Schere in Vinzents Seesack hat sich durch den Stoff gebohrt und der Tür einen dicken Kratzer verpasst. Mein Mitleid hält sich in Grenzen, da Jonas die artgerechte Nutzung meines Armes wohl wieder auf die Schnelle verlernt hat. Auch er geht mit seinem Seesack in eine andere Kammer. Ich war schon froh, dass endlich sanfter mit mir umgegangen werden wird, aber da hab ich mich wohl getäuscht. Kurz vor 22 Uhr, endlich ist Ruhe, und wenn nicht, wird Willi schon dafür sorgen. 22 Uhr und „Wumms“, Alena knallt die Tür zu. „Alena“ brüllt Marta. Auch ihre Geduld ist jetzt vorbei: „Eine Stunde Schiffsarbeiten!“ „Ach komm schon Marta, das war der Seegang“ „Ähm Alena, wir liegen im Hafen“, „Ach, verdammt“. Alena gibt sich geschlagen und schließt sanft die Tür. Ich hoffe, bis zum Ende lernen es die Kusis noch, denn ich möchte nicht so enden wie die Tür der Bibliothek. Sie heißt Brigitte, hatte vor einigen Wochen eine Operation und hat sich immer noch nicht ganz regeneriert. Ihr Arm musste amputiert werden und eine Schraube gewechselt, da sie gebrochen war. Eine sehr, sehr schmerzhafte Verletzung, meiner Meinung nach. Ich hoffe, so weit kommt es bei mir nie. Um 23 Uhr knallt dann auch hier die letzte Tür, es beginnt die entspannende Nacht und es endet der stressige, brutale Umzugstag. Vielleicht lernen es die Kusis ja noch, bevor wir in Kiel einlaufen.

Auf KEIN fröhliches Türen knallen!
Euer Jonas

Liebe Oma, ich wünsche dir alles, alles Liebe zum Geburtstag. Ich vermisse dich sehr und freue mich auf dich. Hab dich lieb!

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