Die letzten zwei Wochen

Schüler Joseph

von Joseph

Heute warfen wir ziemlich spät abends vor Falmouth den Anker. Wache 4 war die letzte Wache, die gegangen werden musste, meine Wache. Wir mussten mit vier Ausgucken fahren, zwei vorne auf der Back und zwei hinten auf dem Achterdeck und das bei gefühlten Minusgraden und neben dem normalen Wachbetrieb. Ständig bekamen wir Funksprüche von den anderen auf der Back, die uns ein weiteres Mal auf Fischerbojen hinwiesen, die nicht auf der elektronischen Seekarte abgebildet waren. Im Gegensatz zu den letzten Etappen auf See gab es tatsächlich ein paar Schiffe zu sehen, es war wirklich was los. Nun konnte die geübte Lichterführung und Betonnung für die dritte und letzte Schiffsübergabe wirklich angewandt werden. Als wir dann schließlich Anker warfen und zusätzlich noch die Uhr umstellten, kamen wir nicht um kurz vor 11, sondern um kurz vor 12 ins Bett. Morgen steht noch ein großer Tag an, denn dort werden wir ein achtzehnstündiges Solo über Nacht machen.

„Willkommen zurück in Falmouth!“. Wenn man mal um sich guckt, erkennt man so einiges wieder. Es ist schwer vorstellbar, dass wir hier schon einmal waren, vor einem halben Jahr. Man kann nicht sicher sagen, ob es einem vorkommt wie eine Woche oder eine Ewigkeit, ob man glücklich oder traurig darüber sein soll. Ich kann mich noch ziemlich genau an die Zeit in Falmouth erinnern, in welche Cafés wir gegangen sind, wo wir Fish and Chips gegessen haben und sogar welcher Kellner uns in einem bestimmten Burgerladen bedient haben. Schade irgendwie, dass wir keinen weiteren Landgang hier haben werden, da es nach dem Solo am Sonntag direkt weitergehen wird und zwar unter der Leitung einer neuen Schiffsführung, zusammengestellt aus Bewerbern unter uns Schülern. Die Reise neigt sich dem Ende zu und wir müssen uns selbst nach Hause navigieren. Wir haben in diesem halben Jahr so viele neue Erfahrungen gemacht und kommen, auch wenn wir uns dessen selbst gar nicht so richtig bewusst sind, als andere, reifere Menschen zurück. Das Solo wird uns viel Zeit zum Nachdenken geben, über die verschiedensten Dinge. Wie die Reise war, was wir alles erlebten, was wir uns für sie vorgenommen hatten, aber auch was wir in Zukunft machen werden. Wir werden alle verschiedene Wege gehen müssen und sind nicht mehr nur eine Kammer voneinander entfernt. Doch die Gruppe, die wir in dieser Zeit geworden sind, ist nicht so leicht zertrennbar.

Zum ersten Mal bei KUS überlappen sich unsere Ziele auf der Route und der Kreis schließt sich. Müde setze ich mir meine Kopfhörer auf und probiere mich abzulenken. Die Reise geht noch weiter, sage ich mir, jetzt ist noch nicht die Zeit, um über sowas nachzudenken. Ich bin nicht der Einzige, der sich diese Gedanken macht, man merkt, was für eine Auswirkung dieses Thema auf die Stimmung an Bord hat. Hin und wieder kommt die Frage auf, ob man denn glaubt, dass der Kontakt aufrecht erhalten bleibt. Und wenn wir wieder mal keine Lust auf Reinschiff haben, wird uns bewusst, dass dies vermutlich das letzte Mal sein wird, dass wir die Last putzen, das letzte Mal für 50 Leute Essen zubereiten, das letzte Mal einen Blog schreiben, so wie ich das gerade tue. Wir werden alle versuchen die letzte Zeit auf See zu genießen und die Dinge, die uns vielleicht nicht immer so sehr gefallen haben, voll und ganz zu erleben.

Menu