von David
Der Englische Kanal ist in ganz Europa der Inbegriff einer Seefahrtsstraße, aber warum eigentlich? Ich werde euch im Folgenden anhand eines typischen Wachablaufs im Englischen Kanal die Besonderheiten erklären.
2256 (im nautischen werden Uhrzeiten ohne Doppelpunkt geschrieben und gesprochen z.B. Vierzehnhundert statt 14:00 Uhr):
Wache 4 und 1 stehen gerade bei der Wachübergabe.
„…die Sicherheitsronde war ok, das Schott ist auf Steuerbord offen.“
„Boje auf Backbord!! Da, direkt ein Meter neben dem Schiff.“
„Ja ich sehe sie! Ist sie verhakt?“
„Ne, ich glaube nicht, sie ist schon vorbei.“
„Naja, wie gesagt, das Schott ist auf Steuerbord offen…“
Im Englischen Kanal fahren wir immer mit zwei Ausgucken (Ausgücken/Ausgücks?! – Es gibt jedes Mal aufs Neue Riesendebatten, wie es nun richtig heißt). Da in dieser Meerenge natürlich auch viele Fische unterwegs sind, gibt es hier besonders viele und leider oft unbeleuchtete Fischerbojen.
0021:
Funkgerät auf dem Achterdeck: „Thor Heyerdahl, Thor Heyerdahl, what is your intention concerning your course?“
Eine englische, 125 m lange Fähre funkt uns an, was unsere Absichten wären, da sie sich mit 20 Knoten von Steuerbord nähert, also Vorfahrt hat.
0050:
Malte ruft auf der elektronischen Seekarte Informationen über einen sich nähernden Containerfrachter auf.
„Steuerbord 5!“- „Steuerbord 5! – Ruder liegt Steuerbord 5 !“
Wir ändern unseren Kurs nach Steuerbord, um dem Containerfrachter auszuweichen, da auf der elektronischen Seekarte ein CPA (Closest Point of Approach: also die kürzeste Distanz, die wir zu dem Containerfrachter haben werden, wenn beide Kurs und Geschwindigkeit halten werden) von 0,00 Seemeilen angezeigt wurde.
0125:
„Hochgeschwindigkeitsfähre achteraus!“
Hinter uns fährt eine Hochgeschwindigkeitsfähre mit 33,4 Knoten vorbei.
0157:
„…verfang Roder en Utkieck, weg de Wacht“
Endlich dürfen wir ins Bett
0530:
„Guten Morgen, David! Es ist halb sechs wir brauchen dich und deine Wache zum Segelbergen, wir erwarten dich in spätestens 10 Minuten auf dem Hauptdeck“
Zu früh gefreut. Gemeinsam mit Wache 3 und 4 bergen wir alle Segel, da wir bald vor Anker gehen werden.
0630:
„…ok, die Fahrwache übernimmt jetzt, ihr könnt schlafen gehen!“
Jetzt können wir endlich schlafen gehen und eine anstrengende, aber ungemein interessante Nachtwache geht zu Ende.