Datum: Mittwoch, der 07.03.2018
Mittagsposition: St. George‘s an der Pier 32° 12,3‘ N, 064° 47,1‘ W
Lufttemperatur: 19,5°C Wassertemperatur: 20,5°C
Etmal: 0 sm
Am heutigen Tag haben wir die Bermudas hinter uns gelassen und Kurs auf die Azoren genommen, die wir bei gutem Wind in zwei Wochen erreichen können. Solche Tage – mit Landgang und Seegang, wie Martin sagt – haben immer etwas ganz Besonderes, da sie zwei vollkommen unterschiedliche Welten miteinander vereinen. Der gemächliche, entspannte Hafenbetrieb, bei dem nur zwei Leute Hafenwache gehen, die Backschaft einfach Küchenutensilien in der Kombüse stehen lassen kann, ohne Angst haben zu müssen, dass diese seegangsbedingt das Fliegen lernen und man einmal am Tag Reinschiff macht und ansonsten nicht allzu viel zu tun hat, wenn nicht gerade Schiffsarbeiten anstehen – trifft auf den ebenso schönen alltäglichen Seebetrieb, der sich in vielen kleinen und größeren Aspekten von dem Liegen an einer Pier unterscheidet.
Aber fange ich mal am Anfang an! Heute hatten Malte und ich wahrscheinlich eine der letzten Chancen genutzt und mit unseren Hängematten an Deck geschlafen, was mit einem Schlafsack hier, trotz der etwas kühleren Nächte, sehr gut machbar ist. Es tut einfach gut, nochmal an der frischen Luft zu schlafen, wenn man weiß, dass man die nächsten Nächte mit großer Gewissheit in seine warme, aber manchmal leicht stickige Koje gekuschelt verbringen wird. Früh morgens brachen einige von uns zu einem Run&Dip, ohne Dip, über diese malerische, mit dunklem Grün überzogene, so britisch anmutende Insel auf. Von diesem kehrten sie kurz vor dem Frühstück zurück, froh über eine sportliche Betätigung mit starkem Gebrauch der Beinmuskulatur, wie sie auf See ja eher weniger vorkommt. Nach dem Frühstück gab es dann auch Denksport bei unserem Englischtest, der gar nicht so schwer war wie manche befürchtet hatten. Jetzt fehlen uns nur noch der Chemie- und der Mathematiktest, die wir auf der kommenden Seeetappe oder vielleicht auf den Azoren hinter uns bringen werden.
Weiter ging es mit einer Feuerübung, bei der wir das richtige Verhalten im Fall eines Brandes im PK, im Bug des Schiffes, trainierten. Die Übung verlief sehr erfolgreich und lehrreich für uns, da unser neuer Bordarzt Georg uns gleich das Versorgen von Verbrennungen erklärte. Darauf folgte ein Reinschiff und Seeklarmachen mit Aufklaren der Kammern und Bauen der Kojen, was von unserem Kapitän Detlef überprüft wurde. Nachdem alles zufriedenstellend erledigt worden war, gab es noch ein letztes Mal für jeden Landgang, um noch einmal festen Boden unter den Füßen haben zu können und um noch einmal mit der Familie sprechen zu können. Diese Möglichkeit nahmen alle wahr, aßen sehr teures Frozen Yoghurt, deckten sich im Supermarkt mit Naschzeug für den Nordatlantik ein oder besichtigten einen Nachbau der „Deliverance“, eines der ersten Schiffe, die von englischen Siedlern auf den Bermudas gebaut worden war. Für uns KUSis, die wir uns jetzt schon ganz gut mit dem grundlegenden Aufbau von Segelschiffen auskennen, war es sehr interessant darüber zu fachsimpeln, was an diesem Schiff sinnvoll ist und was eher nicht.
Zurück auf der Thor gab es zum Kaffee anlässlich Lenyas Geburtstags von ihr selbst mit Unterstützung von Julia und Tilli gebackene Schoko-Kirsch-Muffins, die vorzüglich schmeckten. Es war von den Tagen, die wir auf den Bermudas verbrachten, der sonnigste und wärmste Tag, um einen schönen Geburtstag zu feiern. Aber nicht nur das Wetter war wunderbar, auch der Wind war angenehm kräftig und kam genau aus der richtigen Richtung, sodass wir gleich, nachdem wir den ‘town cut‘ passiert hatten (den schmalen Kanal, der den perfekten Naturhafen von St. Georges mit dem offenen Ozean verbindet), die liebe, aber aufmerksamkeitsbedürftige Hauptmaschine Olga abstellen und ganz schön flott segeln konnten.
Ich hatte das Glück, mich während dieses Auslaufmanövers im Rigg zu befinden, hinter mir das Grün-Braun-Grau der Bermudas kleiner werden zu sehen und gleichzeitig vor mir das in vielen Farben schimmernde Blau des Atlantiks, der jetzt vor uns liegt. Sofort beginnt wieder der Seebetrieb und der Bordalltag, an den wir uns, wie immer nach einiger Zeit an Land, erst einmal wieder gewöhnen müssen. Alles muss seefest gelascht und mit Antirutschdecken gesichert werden, es sind zu keiner Zeit wirklich alle von uns versammelt, da immer jemand Fahrwache gehen muss, und an das Schaukeln der Wellen muss man sich auch erst einmal wieder gewöhnen.
So unterschiedlich kann also das Leben auf ein und dem selben Toppsegelschoner sein, je nach dem ob er sich im Hafen oder auf hoher See befindet. All das gehört aber zu KUS so wie Wind und Wellen zum Meer, und auch wenn es an Land meist etwas entspannter zugeht als auf See, lieben wir alle die verschiedenen Aspekte dieser Reise auf der Thor Heyerdahl. Ich wünsche euch alles Gute zum Geburtstag, liebe Nina und liebe Mama, und hoffe, dass euer Leben zuhause genau so vielseitig ist wie unseres hier.