Datum: 10.01.2019
Ort: Boquete
Autoren: Romy & Vivi
Es war früh Morgens, als ich, wie alle anderen Rucksäcke auch, in einem kalten Busbahnhof in Panama-City auf einen Stapel geworfen wurde. Um ehrlich zu sein, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich, wo die Fahrt hinging. Irgendwann wurde ich dann nach draußen befördert und habe ein Nummernschild um den Henkel gehangen bekommen: “6070 – Boquete” zeigte es an. Aha! Da sollte meine Reise wohl hingehen.
Im Laderaum des Busses lernte ich einen stylischen und sympathischen Rucksack kennen! Wir unterhielten uns gut und so verflogen die zehn Stunden Fahrt, mit kurzem Umladen in einen anderen Bus, eigentlich wie im Flug. Als wir endlich wieder frische Luft schnappen konnten, war das erste, was wir sahen, ein riesiger Regenbogen, den wir aufgrund des stetigen Nieselregens noch sehr oft bewundern konnten. Von der Busstation aus wurden wir zu der Sprachenschule “Habla ya” geführt, bei der wir unserer neuen Familie, bei der wir für die nächsten fünf Tage wohnen würden, zugeteilt wurden. Von dort aus ging es dann mit dem Pick-Up “nach Hause”, in eine fremde Umgebung, in der ich mich nach der langen Fahrt entspannen konnte. Erschöpft von der anstrengenden, aber dennoch sehr spannenden Reise, schlossen sich meine Verschlüsse ziemlich rasch und ich schlief ein.
Am nächsten Morgen ging es dann schon relativ früh los, als in mir sowohl das Mittagessen für den kommenden Schultag als auch Schreibutensilien verstaut wurden. Vormittags hab ich einige neue Wörter auf Spanisch gelernt und mit der Umhängetasche meiner charmanten Lehrerin geflirtet. Am Nachmittag hatte ich die Möglichkeit, viel Zeit mit meinen Freunden verbringen zu können und die Stadt zu erkunden, sowie einfach eine Pause zu machen, während meine Trägerin mit der geliebten Familie Zuhause im verschneiten Deutschland telefonieren konnte.
Mein nächster Tag in Boquete begann tatsächlich nicht anders als der vorherige. Nachmittags allerdings durfte ich einen Blick darauf werfen, wie denn dieses Getränk, genannt Kaffee, welches meine Trägerin oftmals wachhält, angebaut und produziert wird. Mir stieg dauernd der köstliche Duft der Kaffeebohnen in die Nase, und so freute ich mich sehr, als in mir kiloweise Kaffee verstaut wurde! Mit diesem werde ich nämlich vielen andere Menschen Zuhause Energie spenden.
Allerdings muss ich zugeben, dass ich am nächsten Tag ziemlich wenig mitbekommen habe, da ich am 09.01.2019 die gesamte Zeit in meinem Zimmer vor mich hindöste. Heute war nämlich ein nationaler Feiertag in Panama, und meine Besitzerin hatte Gelegenheit, etwas mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen, ohne in die Schule gehen zu müssen.
Freitag wurde ich durch Gerüttel und Geschüttel etwas unsanft aus meinem Schlaf gerissen. Dabei war mein erster Gedanke: Nicht schon wieder… Schon in der Nacht vorher hatte dieser rücksichtslose Trottel meine Reisverschlüsse aufgerissen und mich mit Skiunterwäsche vollgestopft. Hin und wieder weiß ich echt nicht, was da los ist. Aber dieses Mal ergab es sogar Sinn, denn es war wirklich kalt, als wir das Haus verließen. Stockdunkel. Der kurze Marsch endete an einer Tankstelle, wo wir auch andere Rucksäcke samt ihren gebeinten Anhängseln trafen. Dann bin ich wohl eingenickt, denn das nächste, woran ich mich erinnere, ist, wie wir aus einem Kleinbus stiegen, dessen Leuchtuhr gerade 5 Uhr morgens zeigte. Das sah nach einer großen Tour aus. 20 Minuten später ging es dann los mit dem Geschüttle. Es waren dreizehn Jugendliche, ein Erwachsener und drei Fremde mit spanischsprechenden Rucksäcken. Dank meines intensiven Unterrichts konnten wir allerdings etwas plaudern. Die Trägerinnen waren ziemlich am Schnaufen, weil es stetig bergauf ging.
Vor der lang ersehnten Frühstückspause konnten wir die Sonne aufgehen sehen, die alles orange färbte. Dann mussten unsere Besitzer aber rasch weiter, um die zweite Hälfte des Marsches hinter sich zu bringen. Der Weg war in etwa autobreit, allerdings gab es nicht viele, die ihn auch hätten fahren können, so steil und steinig war er. Der Gipfel war schon in Sicht und rückte stetig näher. Auf dem letzten Abschnitt des Weges konnten wir die Wolken unter uns bewundern, da die Bäume aus Respekt vor uns gewichen waren. Die Träger, die uns so lang hochgeschleppt hatten, begannen plötzlich uns leer zu essen, außerdem hielten sie dauernd Ausschau nach dem Wasser unter den Wolken und glaubten, dass man Atlantik und Pazifik gleichzeitig sehen könne. Ich persönlich fand die Wolken schöner, aber ein Meer ist einfach kein Ort für mich. Ich war schon mächtig stolz, als ich den Ausblick von dort oben genoss, das kann nicht jeder behaupten: an einem Tag über 1700 Höhenmeter auf den Baru getragen worden zu sein. Abwärts traf ich dann mein absolutes Highlight: ein flauschiges Tier, das ungefähr so aussah wie ein Waschbär und einfach dasaß. Der Abstieg ging im Vergleich zum Bergaufsteigen schneller und wir sahen zum Abschluss erneut einen beeindruckenden Regenbogen.
Am folgenden Tag ging es dann schon weiter und wir mussten unsere tollen Familien in Boquete leider wieder verlassen. Während wir auf den Bus warteten, konnte ich, wie bei meiner letzten Reise, wieder mit den anderen Rucksäcken Kontakt aufnehmen und wir tauschten unsere Erlebnisse aus. Dabei erfuhr ich, dass einige am Vortag, also während ich auf dem Baru war, einen Trip zu Wasserfällen gemacht hatten.
Bei ihnen ging es erst nach Sonnenaufgang los, und sie begannen ihre Wanderung nach einer kurzen Fahrt Richtung Wasser. Dabei führte ihr Weg über eine wacklige Hängebrücke anfangs stetig bergan, und die ersten Kusis sprangen bereits im ersten Wasserfall zur Erfrischung ins kühle Nass. Dies wäre aber tatsächlich nicht nötig gewesen, da sie noch zwei weitere Wasserfälle besichtigen konnten. Ihre Wanderung führte sie durch den Regenwald, in welchem sie viele fremde Pflanzenarten in exotischen Formen erblickten, und teilweise konnten sie sogar durch Wolken laufen. Beim zweiten Wasserfall, den nun viele andere zum Abkühlen nutzten, konnten meine Rucksackfreunde auch einige Regenbögen am Fuße des Wasserfalls sehen. Ihre Besitzer hatten unglaublich viel Spaß, im eiskalten Wasser zu schwimmen und waren am Ende doch wieder froh, ihre warmen Klamotten anziehen zu können, ehe sie komplett zu Eisklumpen wurden.