Datum: 22.03.2019
Mittagsposition: Horta
Wetter: Lufttemperatur: 27°C, Wassertemperatur: 26°C, Wind: NE4
Autorin: Melina
12 Uhr mittags, Toppsegelschoner „Thor Heyerdahl“: die Essensglocke läutet, woraufhin die 50 Crewmitglieder, unter ihnen 33 Schüler, zur Essensausgabe aufs Hauptdeck strömen. Die Backschaft des Tages macht eine Ansage und nach der „stillen Minute“, einem Ritual an Bord, ertönt wie so oft der Satz: „Vegetarisch an Steuerbord, mit Fleisch an Backbord!“. Dann teilt sich die Gruppe auf zwei Seiten und zwei Schlangen bilden sich vor den Bulleyes zur Kombüse.
Doch hinter dieser alltäglichen Routine steckt ein bemerkenswerter Wandel: die Warteschlange der Vegetarier wird zunehmend länger. Das liegt daran, dass einige der Mitglieder der Besatzung, besonders von den Schülern, die Seite wechseln. Sie beschließen, auf Fleisch zu verzichten.
Da aber alles, besonders das Essen, auf See nur begrenzt vorhanden ist, wird jede Person beim Verproviantieren des Schiffs sehr genau mit eingerechnet, damit nur so viel gekauft wird, wie auch tatsächlich nötig ist. Dies gilt auch für das Fleisch, das verzehrt wird. Wenn jetzt aber auf einer Seeetappe ein paar Menschen beschließen, Fleisch von ihrem Ernährungsplan zu streichen, bleibt etwas übrig.
Um dieses Problem zu lösen, haben sich die beiden Proviantmeisterinnen Mirte und Jule etwas ausgedacht: vor jeder Verproviantierung wird neu abgefragt, wer auf der bevorstehenden Etappe Fleisch essen wird und wer vorhat, sich vegetarisch zu ernähren. Inzwischen ist die Zahl von anfangs 14 Vegetariern auf 24 angestiegen. Doch woran könnte der Sinneswandel liegen? Ein möglicher Grund dafür könnte der große Fleischkonsum während der großen Landaufenthalte in Panama und Kuba sein. Beides sind Länder, in denen Fleischkonsum zur Kultur gehört, anders als in den meisten deutschen Familien.
Klar ist, dass das Thema die Schüler beschäftigt. Das ist nicht nur am Ernährungsplan und am Fleischbestand in der Kühllast zu sehen, sondern auch an einer kleinen Änderung im Programm. Unter den Workshops, die die Schüler jede Etappe erneut wählen, ist nun auch ein solcher mit dem Namen „Vegetarismus und Veganismus“. Die Besonderheit: Er wird von Schülern geleitet, ebenso wie der Workshop zum Abschlussbuch.
Robin und Simon, beide sechzehn Jahre alt, sind langjährige und überzeugte Vegetarier. Als Leiter des neuen Workshops haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, mit den Teilnehmern über die Beweggründe, sowohl in ethischer als auch ökologischer Sicht, und über die Vor- und Nachteile einer fleischfreien Ernährung zu reden. Aber nicht nur der Verzicht auf Fleisch, sondern auch auf alle tierischen Produkte ist ein Thema. Hierbei informiert der Workshop darüber, wie man trotzdem seinen täglichen Bedarf an Vitaminen, Proteinen und anderen Nährstoffen sicherstellen kann. Nachdem sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Workshoptreffen in Artikeln über richtige, gesunde und vegane Ernährung eingelesen hatten, hielten sie ihre Ergebnisse in der „veganen Ernährungspyramide“ fest. Diese ist in unserer Bordbibliothek zu finden.
Die Mitglieder planen außerdem eine vegane Backschaft als Abschluss des Workshops, um auch dem restlichen Teil der Crew einen Einblick in diese immer weiter verbreitete Ernährungsform zu geben. Hierbei möchten sie es für einen Tag ermöglichen, komplett auf tierische Produkte zu verzichten, was auf See schwieriger ist als man denkt, da man so gut wie keine Ersatzprodukte zur Verfügung hat. Doch die Schüler sind der Meinung, dass auch aus den einfachsten Zutaten leckere, vegane Gerichte zubereitet werden können. Das wird von vielen Seiten unterstützt, die Schüler sind gespannt auf den tierproduktfreien Tag. Wer weiß, wer sich bis Reiseende noch den Vegethoriern in der Schlange an Steuerbord anschließen wird?