Von Plastikgeschirr, Kojeneinrichtung und linken Schuhen

Felicitas

Datum: 01.04.2020
Mittagsposition: 38° 32,3‘ N 028° 37,3‘ W
Etmal: 5 sm
Wetter: Lufttemperatur: 15° C, Wassertemperatur: 16°C, Wind: NE 3
Autorin: Felicitas

Es ist ein ganz normaler Abend. Ganz normal? Nein, nicht ganz. Denn wir schreiben den 31. März 2020, den Vorabend des ersten Aprils, wie wir um Viertel vor Zwölf erstaunt feststellen. Sofort beginnen die Gehirne zu rattern und plötzlich kommt eine ungewohnte Energie in die abendliche Gesellschaft, die eigentlich schon auf dem Weg ins Bett war: Pläne werden geschmiedet und möglichst unauffällig vorbereitet. Getuschel beginnt an einigen Tischen, es liegt etwas von Streichen und Geheimnissen in der Luft. Etwas bahnt sich an, das kann man spüren.

Die Ersten, die die Folgen des ersten Aprils auf der Thor zu spüren bekamen waren die nichtsahnenden „Stammis“, die sich im Salon ein eigenes „Peter Café Sport“ gemacht hatten – als Ausgleich dafür, dass wir aufgrund von der Coronakrise nicht an Land durften. Als die Runde aufgelöst war und Wachführer und Lehrer in ihre Kammer (PK) im Vorschiff zurückgingen, hatte der Boden plötzlich eine andere Farbe und Beschaffenheit als normalerweise. Bunt war er – und er spiegelte auf eine ganz eigene Art. Bei näherem Hinsehen war dies als Wasser zu erkennen – Wasser das in unzählige Plastikbecher und Schüsseln eingefüllt auf dem ganzen Boden verteilt stand. Es dauerte eine ganze Weile bis jede einzelne Form den steilen Niedergang hochgetragen und ausgeleert worden war.

Doch nicht nur der Stamm, der das Vorschiff bewohnt, wurde böse überrascht. Die mittschiffs schlafenden Lehrer Michael und Martin, die müde einfach nur noch in ihre Betten fallen wollten, es war ja schon nach Mitternacht, waren hart enttäuscht als sie sich in die Kojen der Kammer 10 legen wollten. Hart ist hier wörtlich zu nehmen – Da hatten sich ein paar Schüler doch tatsächlich erlaubt die Matratzen aus den Kojen zu nehmen. Das Problem war also nun, dass die Kojenbretter nicht annähernd so komfortabel wie die darüberliegenden Matratzen waren. In den nächsten Minuten, ja sogar Stunden entbrannte regelrecht ein Krieg um die gemütlichen Liegemöglichkeiten. Martin löste das Problem kompromisslos, indem er davon ausging, dass Ben hinter der Sache steckte und so rechtfertigte dessen Matratze kurzerhand in seine eigene Koje zu verfrachten. Doch Ben ließ dies nicht so einfach auf sich sitzen und weckte den dösenden Martin alle paar Minuten, um nach der Matratze zu verlangen. Nach ungefähr zehn Wiederholungen und über einer halben Stunde gab sich Ben letztendlich mit der Matratze, die ursprünglich aus Kammer zehn stammte und irgendwann in Kammer fünf, die damit überhaupt nichts zu tun hatte, auftauchte, zufrieden.

Als dann auch die letzten eingeschlafen waren, dachten viele, sie wären über den Großteil der Streiche hinweg, allerdings hatten sie sich gewaltig geirrt. Die Hafenwachen in der Nacht auf den ersten April eigneten sich natürlich perfekt um einige Dinge vorzubereiten.

Als am nächsten Morgen für das Frühstück geklingelt wurde und sich die Besatzung nach oben begeben wollte, schoss allen dieselbe Frage in den Kopf: „Wo – sind – meine – Schuhe?!“ Jeder einzelne Schuh war spurlos verschwunden. Wie vom Wind verweht. Da der Hunger drückte, gingen fast alle mit kalten Füßen zum Frühstück, doch einige machten sich auf die Suche nach der Unmenge von Schuhen. Ja, es sind wirklich sehr, sehr viele Schuhe, die wir auf der Thor haben, jeder hat mindestens drei Paar, wir sind 50 Leute – Das sind 150 Paar, 300 Schuhe. Nach einigen Minuten der Suche, wurde der Zwischenboden zu dem erlösenden Versteck. Vollkommen überfüllt war er. Beim Frühstück bekamen es dann alle anderen mit – Es dauerte Tage, bis die letzten Fragen nach dem rechten Hausschuh oder dem linken Gummistiefel aufhörten.

Beim Abendessen in der Messe fiel dem Backbord Mitte Tisch eine weitere Ungewöhnlichkeit auf. Das Bild über dem Tisch, dass eine Aufnahme von einem Segelschiff aus dem Jahre 1928 zeigt, war auf den Kopf gedreht. Den ganzen Tag über war es niemandem aufgefallen. Tatsächlich war dies auch nicht so schlimm, dass es sofort jemand berichtigte, denn es hing noch einige Tage so.

Beim Zubettgehen wurden dann schließlich die letzten Streiche bemerkt, da die komplette Kojeneinrichtung in Kammer 6 von Backbord zu Steuerbord getauscht worden war. Die Bilder, die Finns Hund zeigten, hingen nun auf der anderen Seite, dafür hatte der nun Jeres Hängeregal neben dem Kopfkissen hängen.

Schlussendlich wurde auch dies berichtigt und ein Tag voller Späße und Überraschungen ging zu Ende. Ich glaube wir alle werden uns lange an diesen denkwürdigen ersten April erinnern.

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