Segeln

Amelie

Datum: Mittwoch, der 06.04.18
Mittagsposition: 43°44,9‘ N, 012°38,8‘ W
Etmal: 185 sm
Wetter:Lufttemperatur: 14°C, Wassertemperatur: 13,5° C, Wind: WSW6
Autorin: Amelie

Segeln – Jeder interpretiert diesen Begriff anders. Wenn jemand das Wort verwendet oder man es aufschnappt, verbinden die Leute hier an Bord es vor allem nach dieser Reise automatisch mit einem Segelschiff, mit der Thor Heyerdahl. Ein anderer denkt beim Wort „Segeln“ an ein Segelflugzeug, an segelnde Vögel, an kleine, weiße Segelboote oder an geschichtliche Seefahrer, die mit einem Segelschiff sämtliche Länder entdeckten.

Ein paar Jahre vor KUS dachten die meisten von uns bestimmt auch noch an etwas anderes als an die Thor. Auch als man kurz vor der Reise vom Segeln sprach, hatte man tatsächlich eine total andere Vorstellung von dem, was Segeln für uns auf der Thor bedeutet. Mit der Zeit verstand man jedoch immer mehr, was Segeln ist und wie es funktioniert.

Am Anfang unserer Reise war die Thor eher ein Maschinenfahrzeug als ein Segelschiff, denn das Wetter hatte uns einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Als wir jedoch endlich unseren Kurs auf die karibischen Inseln gelegt hatten und auch unser Leesegel gesetzt war, konnte das Segeln richtig beginnen.

Bei jeder Wachübergabe musste man der nächsten Wache die gesetzten Segel vorstellen, sagen, welcher Kurs gerade gefahren wird etc. und mit der Zeit verstand man immer mehr, was das für uns alle zu bedeuten hat, denn die Segel mussten gesetzt, getrimmt oder geborgen werden, damit wir immer weiter voran kamen.

Der Wind trieb uns immer weiter durchs Wasser nach vorne und man konnte kaum etwas daran ändern, es ging immer weiter, egal wie heftig es hin und her schaukelte, das war auch irgendwie beruhigend und befreiend.

Segeln bedeutet: Die Möglichkeit, über die Meere zu fahren und so jede Küste erreichen zu können. Die Gischt im Gesicht, den Wind in den Haaren, die Gummistiefel sind bis zum Rand gefüllt mit Seewasser und die heftige Schiffsbewegung rüttelt einen durch. Das schwere Schiff wird mühelos von den Wellen hin und her geschubst. Segeln bedeutet: Regen, der einem ins Gesicht peitscht und von oben in die Jacke läuft. Grauer Himmel und ebenso graue Wellen. Seevögel, die vom Wind fast verweht werden. Die Segel, die entweder straff im Wind stehen oder stark schlagen.

Gleichzeitig wunderschöne Sonnenuntergänge, die Sonne, die einen auf der Nasenspitze kitzelt, die sanften Wogen der Wellen, die einen in den Schlaf wiegen, aber einen genauso aus der Koje werfen können.

Segeln bedeutet außerdem Gemeinschaft und schweißt zusammen. Auch das ist etwas, was wir alle hier sehr schnell feststellen durften. Man kann die Thor nicht alleine segeln und jeder wird hier gebraucht. Auch wenn es manchmal nicht so leicht sein kann, immer in Gesellschaft zu sein, ist es immer schön, wenn überall Leute sind.

Fast unvorstellbar, dass unsere Reise und somit unsere Gemeinschaft schon bald enden wird. Doch irgendwann kommen wir eben auch endgültig an. Dann werden die Segel herunter genommen, die Leinen fest gemacht oder der Anker geworfen und das Schiff hafenfein vorbereitet. Wir nähern uns der Heimat auf jeden Fall mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Auch wenn man sich unglaublich auf zu Hause freut, wo man zur Familie, den Freunden und dem Alltag zurückkommt, ist das Segeln, das Zusammensitzen, das gemeinsame Essen und Putzen, Wache gehen und auch der ewige Blick aufs Wasser, der Seegang, das Segelsetzen, Tampenholen und durch den Wind vorangetrieben werden, vorbei.

Die Zeit und vor allem das Segeln war eine riesige Erfahrung und wird uns bestimmt noch lange fast täglich in Erinnerung bleiben.

Noch ganz liebe Grüße an Lena, falls du dies liest, alles gute nachträglich zum Geburtstag, viel Glück und alle guten Wünsche und vor allem viel Spaß im nächsten Lebensjahr. Ich hoffe, ihr habt schön gefeiert und wünsche dir liebe Grüße! Bis demnächst, ich freu mich mega! Deine Amsi

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