Datum: Sonntag, der 07.04.2018
Mittagsposition: 48°44,8‘ N; 006°49,7‘ W
Etmal: 108 sm
Wetter: Lufttemperatur: 10,5° C; Wassertemperatur: 11,5° C; Wind: S 3
Autor: Michi
Thor Heyerdahl, 07.04.2018, nördliche Biskaya, Ansteuerung Falmouth
Irgendwie ist es schon komisch.
Irgendwie ist es schon komisch, wieder hier zu sein, durch europäische Gewässer zu segeln.
Irgendwie ist es schon komisch, zu wissen, dass wir bald wieder in Kiel einlaufen.
Als wir vor gut fünf Monaten auch Falmouth ansteuerten, war das Gefühl komplett anders. Obwohl wir geographisch gesehen am fast gleichen Punkt waren wie jetzt, hat sich Kiel und damit Deutschland weiter weg angefühlt. In der ersten Woche gab es so viel Neues zu entdecken, so viele Dinge zu erlernen, dass sich die eine Woche wie eine viel längere Zeit angefühlt hatte. Falmouth war schon ein weit entfernter Hafen.
Jetzt im Kontrast dazu, sind die Entfernungen deutlich kürzer und die Ziele in Europa sind nach den vielen in komplett unterschiedlichen Kulturkreisen, schon fast Heimat. Ja, sie sind sehr vertraut. Fast da und doch so weit weg – das beschreibt glaube ich die Stimmung an Bord recht gut. Der Alltag geht weiter wie zuvor. Wache, Backschaft, Reinschiff. Täglich der gleiche Alltag, Routine.
Aber natürlich gibt es auch echt schöne Momente: Spieleabende in der Messe und der Bib, tolle Sonnenuntergänge, und so weiter… Da merkt man gar nicht richtig, dass man schon auf dem Weg nach England ist. Gefühlt haben wir die Karibik erst gerade hinter uns gelassen. Täglich schreibe ich aber die Nummer des Tages in mein Tagebuch. Heute ist Tag 169. Sofort fällt auf, wie nahe das an 182 ist.
Manchen mag dieses Gefühl Angst machen oder Traurigkeit oder Verwunderung hervorrufen. Ich weiß
nicht, wo ich mich da einordnen soll. Vor ein paar Wochen konnte ich mir die Rückkehr noch gar nicht vorstellen. Sie war gefühlt noch sehr weit weg. Bis Kiel, das ist noch eine laannggee Zeit. Aber irgendwann habe ich gemerkt: Warte mal, Michi, so lange ist das gar nicht mehr. Und dann war man plötzlich schon auf den Azoren, und auf dem Weg nach Falmouth und ja, morgen kommen wir dort wirklich wieder an.
Beschäftigt man sich aber in ein paar stillen Minuten mal mit diesem Zeitpunkt der Rückkehr, so merkt man, dass dieser wirklich bald sein wird. Aber irgendwie, finde ich, ist das auch in Ordnung. Es war eine wunderbare Zeit mit KUS, mit den Leuten und der Gemeinschaft. Es war unbeschreiblich. Und der Abschied wird sicherlich schwer und traurig sein. Aber da ist auch Vorfreude. Vorfreude auf das Wiedersehen mit unseren Familien und Freunden, auf unser Zuhause und auf die kommende Zeit.
Hier in Falmouth schließt sich der Kreis. Genau hier waren wir auch vor fünf Monaten. Nur mit anderem Kurs, anderem Ziel. Und ich glaube, damals waren wir selbst auch noch jemand anderes. Personen, die an Bord noch ziemlich unsicher waren und eine Gruppe, die noch zusammenwachsen musste. Wir alle haben uns in irgendeiner Weise verändert und haben viele Erlebnisse in uns aufgesaugt, weswegen wir in Falmouth auch ein 24 (oder mehr?) Stunden Solo durchführen werden – 24 Stunden für sich und seine Gedanken. 24 Stunden um sich selbst, sein neues Ich zu entdecken. Veränderungen zu verstehen. Mit dieser Reise abzuschließen.
Als wir heute in meiner Wache die letzten Segel zum Vollzeug setzten und dann im Anschluss das Rescueboot bemannten und einmal um die Thor fuhren, da schweiften meine Gedanken weiter: Zwar ist das hier das Ende unserer Reise, dieser Reise, aber irgendwann muss jedes Abenteuer enden, sonst kann schließlich kein neues beginnen! Und in diesem Moment war mir klar, dass die Thor auch noch in Zukunft weitersegeln wird. Dass wir ein Teil des großen Systems „Thor“ werden durften und auch in Zukunft dort weiterfahren können. Und natürlich, dass wir uns als KUS Familie auch in Zukunft sehen werden.
Deshalb ist es glaube ich falsch, Angst vor der Rückkehr zu haben, oder traurig darüber zu sein. Wir sollten eher dankbar für die tolle Zeit bei KUS sein und dann mit Freude in den neuen Abschnitt, der Zeit nach KUS, gehen.