Datum: Sonntag, der 02.11.2014
Mittagsposition: 46°54,6′ N; 007°19,1′ W
Etmal: 83 sm
Wetter: Lufttemperatur: 16°C, Wassertemperatur: 17°C, Wind: W5-6
Autor: Lorenz
Wachbetrieb ist bei uns ja ein ganz alltägliches Thema geworden. Zum Glück, denn bis Falmouth war das ja nur bedingt möglich, da ein Teil der Teilnehmer nur begrenzt einsatzfähig war. Zum Wachegehen gehört auch unweigerlich dazu, stetig sowohl an Backbord als auch an Steuerbord einen Ausguck zu besetzen. Eingeteilt, wie alle anderen Jobs, von unseren Wachprinzen bzw. -prinzessinen, die jede Wache neu aus den Schülern ausgewählt werden. Er oder sie ist dafür verantwortlich, dass alle Stationen, die eine Wache zu besetzen hat, verteilt sind. Dazu gehören Jobs, wie Rudergänger, Wetter und Position notieren, Sicherheits- und Maschinenronden gehen und eben beide Ausgucks zu besetzen.
Gleich zu Beginn hat Ruth angekündigt, dass der Ausguck eine der wenigen Zeiten sein wird, die wir mal nur für uns alleine haben. Eigentlicher Hintergrund ist das Redeverbot, dem man sich bei dieser Aufgabe fügen sollte.
Die „freie“ Zeit, die man beim Ausguck hat, sollte man auch wirklich nutzen, weil man auf einem Fünfzig-Meter-Schiff eigentlich ständig neben irgendjemanden ist. So sitzen auch jetzt, während ich schreibe, andere um mich herum, die entweder ihr eigenes Tagebuch führen oder sich unterhalten. Allerdings besteht immer das Risiko, dass man im Ausguck zu sehr seinen Gedanken nachhängt und dann kann es schon mal vorkommen, dass irgendwann Detlef hinter einem steht und einen fragt, ob man das Schiff auf fünf Strich steuerbord nicht langsam mal melden will.
Die Sicht eines Ausgucks ist in erster Linie auf die ersten 90 Grad von direkt voraus bis querab Steuerbord bzw. auf der anderen Seite bis querab Backbord begrenzt. Somit deckt der Steuerbordausguck den Breich von „null Uhr“ bis „drei Uhr“ an der rechten Seite des Schiffes ab und der Backbordausguck folglich den Bereich von „neun Uhr“ bis „zwölf Uhr“ Dieser rechte Winkel ist wiederum in acht „Strich“ unterteilt, wobei acht Strich den 90 Grad, also querab entsprechen. So gibt ein Steuerbordausguck ein Schiff, dass schräg voraus ist mit ungefähr drei vier Strich an Steuerbord an.
Zu melden hat ein Ausguck eigentlich so gut wie alles. Schiffe, Tonnen, Treibgut, etc. In einer unserer Freiarbeitsstunden haben wir auch schon gelernt, welche Lichter welche Schiffskategorie bei Dunkelheit führen muss. So müssen zum Beispiel Fischereifahrzeuge andere Lichter anschalten als normale Maschinenfahrzeuge, damit man weiß, welche Netze sie im Wasser haben.
Besondere Beobachtungen sind mit einem aufmerksamen Ausguck auch viel öfter möglich, da der Rest der Wache häufig anderweitig beschäftigt ist und nicht aufs Wasser und den Horizont achten kann. So war es dann auch heute Morgen, während der Wache vier, als an Steuerbord unser erster Wal der Reise gemeldet wurde. Leider gab er uns nicht lange die Möglichkeit, ihn zu bewundern, da er schon wenig später wieder in den Tiefen der Biskaya verschwunden war.
Die Biskaya werden wir alle so schnell nicht vergessen: Schon seit mehreren Tage haben wir auf den angekündigten Winddreher gewartet, der uns endlich er möglichen soll, direkt aus der Biskaya zu laufen, was uns bei den aktuellen Westwinden nicht ganz möglich ist. Zum Glück soll er in absehbarer Zeit auf Nordwest drehen, damit wir Kurs auf das „Cabo Finisterre“, in Seemannssprache auch „Kap Finsternis“ genannt, nehmen können. Wir KUSis sehen in ihm aber eher das Gegenteil, da Detlef es uns schon länger als Punkt der Besserung beschreibt.
P.S.: Zum 18. Geburtstag meiner Schwester möchte ich ihr nachträglich alles, alles Gute wünschen!