Schlaflos durch die Nacht

aurelieDatum: Donnerstag, der 06.11.2014
Mittagsposition: 39°18,6′ N; 011°01,8′ W
Etmal: 141 sm
Wetter: Lufttemperatur: 18,5° C, Wassertemperatur: 19°C, Wind: WSW4
AutorIn: Aurélie

Müdigkeit, Erschöpfung, Willenlosigkeit.
Und dann ist da plötzlich dieses leise Flüstern, das von sehr sehr weit weg mehr oder weniger liebevoll versucht, dich mit solch offensichtlich unnötigen Fragen wie „Wie heißt der gelbe sprechende Schwamm aus dem Fernsehen?“ um halb 2 morgens wach zu bekommen. In Momenten wie diesen überkommt einen schon mal das Verlangen, entweder sich selbst oder der weckenden Person das Kissen über den Kopf zu ziehen. Besonders, wenn sie dir auch noch unbedingt mitteilen will, draußen hätte es 13 Grad, Windstärke 5 und es regne.

Aber meistens sieht die Stimmung hier ganz anders aus. Auf einem 50 Meter langen Traditionssegler, wo noch fleißig mit angepackt werden muss, um sicher navigieren und ein angenehmen Bordalltag erleben zu können, lernt man sich ohne Zweifel ziemlich gut kennen. Wenn ich also um 9 Uhr früh aufwache und total verschlafen an Deck schlurfe, um mir die erste Portion Seeluft und Sonnenstrahlen für heute abzuholen, und mir aus der Kombüse die Wise Guys entgegenschallen, weiß ich ganz genau, dass entweder Berny oder Johannes Backschaft haben.
Bei gutem Wetter wird auf dem Deckshaus die Sonne genossen und gemeinsam musiziert, bei schlechtem Wetter hocken sich viele zusammen in die Last und lassen ihrer Kreativität freien Lauf, indem sie beispielsweise gemeinsam mit unserem Maschinisten Willi aus kleinen Holzteilen Flaschenschiffe schnitzen. Wenn man abends nach einer lustigen Kartenpartie Zähne putzen will und alle Bäder gerade besetzt sind, hört man nicht, wie so oft daheim, den Satz „Ja warte noch ganz kurz, ich bin gleich fertig!“ (jedem ist klar, dass sich zu Hause dieses „ganz kurz“ noch ewig in die Länge ziehen wird), sondern man wird mit einem schelmischen Grinsen zur täglichen Zähneputzparty aufgefordert.

Oft erlebt man hier diese Augenblicke, bei den man nur schmunzelnd den Kopf schütteln kann, und sich die Frage stellt, „Gott, was würde ich bloß tun, wenn ich das jetzt nicht erleben dürfte?“. So ging es mir gestern, als ich Hennes und Sammy bei einer ganz gewöhnlichen Sicherheitskontrolle in der Trockenlast, zwischen Unmengen an Kisten, Nackthafer und Klopapier einen Lachanfall bekommend Mundharmonika spielen sah. Und wer bitte hätte gedacht, dass ich einmal mit meinem Physiklehrer die Scharniere der Kombüse spät am Abend putzen und polieren würde, um sie für die halbjährliche Putzaktion sauber zu bekommen?

Und selbst das Aufwachen zu ungewöhnlichen Uhrzeiten ist nicht für jeden hier eine Qual. Wenn ich nach meiner Wache um 4.30 Uhr das Vergnügen habe, Philip aus dem Tiefschlaf zu reißen, so werde ich, egal wie nass mein Ölzeug von dem Regen ist, erstmal mit einer langen Umarmung begrüßt. Als ich ihm vor einigen Tagen die Kontrollfrage „Wie lautet die 2. binomische Formel?“ gestellt habe, um sicherzugehen, dass er auch wirklich wach ist, haben wir erst einmal 10 Minuten darüber diskutiert, wie sie nun wirklich aufzustellen ist. Als dann sein Zimmergenosse völlig übermüdet von unseren absolut falschen Hypothesen aufwachte und uns die Lösung verraten wollte, um nochmal weitere 15 Minuten schafen zu können, brachten Philip und ich ihn mit einem „Psst, Berny, lass uns da doch bitte selber draufkommen“ verzeifelt zum Schweigen. Diese morgendlichen Unterhaltungen ergeben zwar meist keinen Sinn, sind aber auf der Thor eine tolle Möglichkeit, motiviert und gut gelaunt in die Wache zu starten.

KUS bedeutet Gemeinschaft, die nur funktioniert, wenn man sich auch mal aus dem Bett quält, wenn der Schlaf gerade am schönsten ist. Und dennoch denke ich, dass jedem von uns klar ist, dass diese Reise, die wir zusammen erleben, es zu 100 % wert ist, ein paar Minuten bis Stunden weniger zu schlafen.

P.S.: Alles, alles Liebe zum Geburtstag, Papa und Hanna! Ich denke an euch 🙂

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