Datum: Freitag, der 31.01.2015
Mittagsposition: 20° 33’2 N; 083° 41,1′ W
Wetter: Lufttemperatur: 24°C, Wassertemperatur: 26°C, Wind: ENE 6
Autorin: Ina
Nach einer langen Nacht mit vielen störenden Sicherheitsronden, die einfach nicht auf leisen Sohlen unterwegs sein wollen und noch nicht das Prinzip einer Stirnlampe mit Rotlicht verstanden haben, wache ich von den stampfenden Schritten von Willi und dem verschlafenen Brummen des Generators auf. Kurze Zeit später geht über mir und meinen Freunden in der Reinschiffecke im hinteren Backbordbereich die elektronische Sonne an und dann wird mit plötzlich schwarz vor Augen…die Backschaft!
Keinerlei Rücksicht auf Mitbewohner, schlimm ist das hier. Nachdem der Martin die Waschmaschine mit der Bordwäsche angeschaltet hat, kehrt endlich wieder Ruhe in meinem zu Hause ein. Jetzt kann ich euch mein Eigenheim näher beschreiben: Von uns Eimern gibt es hier an Bord vier verschiedene Sorten, die Ampel-Brüder und unser Cousin, der weiße Eimer. Wir alle haben eine Ausbildung genossen und wurden für unseren Zuständigkeitsbereich vorbereitet. Mein großer Bruder ist der rote Eimer, der ist immer etwas schlecht gelaunt, weil er für die Toiletten, das übelriechende Pissoir und die wunderbaren Bodenglocken zuständig ist, aber man kann sich mit ihm wirklich exzellent über seine Erlebnisse in der Fäka-Bilge unterhalten kann. Einmal, als es so fürchterlich geschaukelt hat, ist ein Teil des Fäkalientankes in die Bilge gelaufen und dann hat der Paul mich zum Auswaschen seines Lappens verwendet. Der Geruch und Dreck hat mich jetzt nicht so sehr gestört, aber beim Anblick des seekranken Pauls im Rotmann wurde mir Angst und Bange, dass er mich als Spucktüte verwenden könnte.
Aber nun genug von alten Geschichten, nun zu meiner kleinen Schwester, dem gelben Eimerlein. Sie ist etwas rundlich geraten, weil sie immer im Kühlschrank, der Kombüse oder dem Tiefkühler unterwegs ist. Jetzt fehle nur noch ich: Der grüne Eimer. Ich bin für alles zuständig, was meine Geschwister nicht betrifft, also zum Beispiel die Wände, Nagelbänke, Fußleisten, Fächer…einfach alles was übrig bleibt – und ich komme viel in der Welt herum.
Nachdem ich den Morgen getrost vor mich hingedöst und der Waschmaschine beim Drehen zugesehen habe, werde ich von der freudigen Stimmung meiner Nachbarn auf das bevorstehende GroßgroßgroßGROSS-Reinschiff angesteckt: Alles muss glänzen für die Kontrolle zum Einklarieren in Kuba. In Kuba ist es nämlich etwas anders als in den vorherigen Ländern. Hier kommen die Behörden an Bord und führen Hygiene- und Sauberkeitskontrollen durch. Bei unseren anderen Landaufenthalten sind die Projektleitung und deren Assistenten nur an Land gegangen, um dort die Pässe und Formulare vorzuweisen. Wegen den Behörden wurde dann alles, also der Sanitärbereich, die Kombüse rund um die Uhr, die Kammern, die Last, einfach alles, auf Hochglanz poliert, um die Einreisegenehmigung zu erhalten, weil es für uns nicht erlaubt ist an Land zu gehen, bevor wir das Zertifikat erhalten haben.
An der guten Laune und dem dazugehörenden Singen erkenne ich Max, der sich auf dem Weg zu mir befindet, mich schnappt, einen grünen Lappen in mich schmeißt, mich mit ekelhaften Neutralreiniger füttert (ich mag den Geschmack von Essigreiniger wesentlich lieber) und fröhlich an meinem noch vorhandenen Henkel in die Steuerborddusche zum Auffüllen mit schönem warmen Wasser trägt. Währenddessen winke ich meinen Freunden zu, die bereits alle an der Arbeit sind. Nachdem ich meinen Kopf an der gestressten Marie aus der Backschaft gestoßen habe, stehe ich in der Bibliothek und sammle den Staub in mir, sodass die Lexika, Schulbücher, Reiseführer und anderen Bücher wieder entspannt und ohne Hustenanfälle leben können.
Während Soraya Bücher entstaubt, putzt Linus Wände, Lena kriecht am Boden und jeder ist am Schrubben.
Plötzlich greift mich eine völlig aufgelöste Fine, schleppt mich den Niedergang hoch, kippt meinen Inhalt über Bord und zwar mit so viel Schwung, dass ich Angst habe, auch in dem tiefblauen Wasser zu landen. Vorbei an Daniela, einem fluchenden Bene und dem lustigen Leon werde ich über Sonja`s Kopf befüllt und zu Ina in das Navi-Klo gebracht. Nachdem alle Wände und Oberflächen akribisch gesäubert wurden, musste ich zusehen, wie der Wasserhahn mit Spezialreiniger, Zahnbürste und einem Messer gewaltvoll von Dreck befreit wurde – diese Methoden an Bord, grausam ist das!
Zum Glück kam dann der Paul und nahm mich wieder mittschiffs ins Deckshaus mit. Dort wurden meine Ohren von Kinderliedern aus der Musikanlage der Kombüse und resultierenden wilden Flüchen der Wache 3 erschüttert. Während ich dumm in der Gegend herumgeschaut habe, kam die Dusche unter den Schwamm und glänzte wie Poliboy-poliert.
Eigentlich dachte ich, dass ich, nun wieder frisch geduscht, in mein Bett in der Last gehen kann, aber nein, Kammer 1 rief nach mir und zwei weiteren Grünlingen. Zu Kammer 1 muss man folgendes Wissen: Dort sieht es immer aus wie bei Hempels unterm Sofa und das musste ich dann erstmal verkraften. Als ich wieder klar denken konnte, war die gesamte Kammer am Putzen, mit meinem Inhalt säuberte Milan die Fußleisten, Samu polierte das Oberlicht und Max machte sein Fach wieder hübsch. Dann kam auch noch der Paul und kniete auf Johannes` Anweisung vor der Tür nieder. So stand ich da, umringt von motivierten Putzern, mindestens zwei Stunden, und durfte am Ende sogar einer sauberen Kammer entgegenblicken. Allerdings waren dann alle wie vom Erdboden verschluckt und ich rutschte im Seegang hin und her. Nachdem ich zweimal beinahe gespuckt hätte, mein Freund einen Teil seines Randes verloren hatte und dessen Bruder einen schweren Henkelbruch erlitten hatte, fasste sich Luca ein Herz und nahm mich liebevoll in den Arm, trug mich nach oben, entleerte mich vorbildlich und brachte mich nach Hause.
Ich freute mich schon auf das Schlafen, aber weit gefehlt! Die Hanna hatte alles mobilisiert, um den Proviantbereich für die Kontrolle zu rüsten. Genervt beobachtete ich, wie die Tür der Kühllast auf und zu ging, alle Kisten mit größter Sorgfalt gewischt wurden. Nach einer weiteren Stunde Eimer-Horror und überstrapazierten Nerven reichte es mir dann endgültig und ich fiel einfach um. Während ich die Laura, die Katha und den Simon auf dem Weg nach Steuerbord überrollte, kehrte glücklicherweise Ruhe ein und ich wurde mit einem netten Handgriff auf meinen Stapel verfrachtet. Dort konnte ich beruhigt und stolz auf alles, was durch mich sauber wurde, einschlafen, natürlich nicht ohne vorher allen eine gute Nacht zu wünschen.