Schiffsübergabe aktuell: Bericht des Kapitäns

lorenzDatum: Dienstag, der 21.04.2015
Mittagsposition: 53° 00,5′ N; 004° 23,3′ E
Etmal: 160,8 sm
Wetter: Lufttemperatur: 9° C, Wassertemperatur: 8,5°C, Wind: N4
Autor: Lorenz

Bei vielen Jugendlichen ändert sich der Berufswunsch über die Kindheit hunderte Male. Genau das haben meine Eltern auch gedacht, als ich schon in der zweiten Klasse erzählt habe, dass ich Kapitän werden würde. Anfang des Gymnasiums haben sich meine Vorstellungen konkretisiert und ich habe angefangen, mich näher mit dem Studiengang Nautik zu beschäftigen.
Schon als ich vor der Reise vom Prinzip der Schiffsübergabe gehört hatte, wusste ich sofort, bei welcher Übergabe ich mich bewerben würde. So habe ich mich schon die ganze Reise auf die letzte Etappe gefreut.

Warum? Im Vordergrund des Seegebietes der letzten Etappe stehen vor allem stark variierende Wetterlagen, reger Schiffsverkehr und die damit verbundenen Ausweichmanöver, aber auch andere Herausforderungen wie Nebelfahrt oder ähnliches. Letzteres hatte uns zum Glück bisher verschont, womit wir unter anderem Falmouth ohne Nebel verlassen und die Einfahrt das erste Mal bei guter Sicht erleben konnten.
Täglich um 10.30 Uhr stellten wir Ruth und Detlef unsere neuen Ergebnisse vor, die ich vorher mit Milan, meinem Steuermann ausgearbeitet hatte, während Paul seine Wache von 08 bis 12 Uhr ging. Besonders dem Wetter galt in den letzten Tagen unser Augenmerk, denn ein Hochdruckgebiet mit bis zu 1037 hPa im Zentrum hatte sich im Norden Schottlands festgesetzt, was durchgehend für nordöstliche Winde im Englischen Kanal gesorgt hatte – also genau gegenan. Gestern haben wir dann schließlich die Marke der Besserung erreicht, denn wir haben die Enge zwischen Dover und Calais passiert.
Das Hoch hat sich mittlerweile weiter nach Süden verlagert und als wir heute Abend in die Deutsche Bucht eingebogen sind, konnten wir endlich wieder Segel setzten! Wind aus NNW! Dass das nochmal möglich sein würde auf den letzten hundert Seemeilen, hatte so gut wie keiner von uns gedacht. Jetzt segelt die Thor fast mit Vollzeug und sechs Knoten in Richtung Heimat.

Noch vor der Kursänderung gen Deutsche Bucht haben wir, wie Detlef einst auf einer früheren Etappen mitteilte, „heute ist Samstag“ gesagt. Das bedeutet: Wir haben ein dringend nötiges Großreinschiff nachgeholt und es hieß zum letzten Mal auf dieser Reise „Besanschot-an“. Leider fand es, wie auch schon bei der zweiten Schiffsübergabe, in der Messe statt. Trotzdem empfand ich es als eine gute Gelegenheit, alle ein wenig in Ruhe zu bringen und auf die letzten Tage einzustimmen, denn die Tage davor waren zusätzlich zur Schiffsübergabe sehr arbeitsintensiv. Vor allem Bootsfrau Steffi, die die Farbarbeiten an und unter Deck koordinierte, konnte sich über zahlreiche Helfer freuen.

Das Zwischenfazit der Übergabe ist aber schlichtweg positiv, trotz widriger Wetterbedingungen und der anfallenden Arbeit ist viel Freude und Spaß dabei. Morgen versuchen wir gegen Abend die Elbe hinauf zu fahren, worauf ich mich persönlich besonders freue, auch wenn die Elbe ein anspruchsvolles Fahrtgebiet ist. Genau dort, wo das Elbfahrwasser beginnt, werden wir aber auch „Lotse“ Detlef wieder an Bord nehmen und ungefähr zur selben Zeit heißt es dann auch über Funk: „Cuxhaven Elbe Traffic, Cuxhaven Elbe Traffic, …“ und mir wird ein warmer Schauer über den Rücken fließen, denn mit Cuxhaven und der Elbmündung erreichen wir ein Fahrtgebiet, auf das ich mich trotz Karibik schon die ganze Reise freue. Ein Stück zweite Heimat, wie ich es gerne nennen würde.

Aus Sicht meines Amtes teile ich gerne mit, dass die gesamte Besatzung wohlauf ist und wir noch genug Wasser an Bord haben, sodass die Familien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Samstag geduschte KUSis in Empfang nehmen können.

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