Datum: Dienstag, der 22.11.2016
Mittagsposition: 25°23,0’N 039° 52,2’W
Etmal: 173 sm
Wetter: Lufttemperatur: 23,5° C, Wassertemperatur: 24°C, Wind: ENE-6-7
Autor: Kira
Es war einmal ein Kochlöffel, dessen Zuhause war die Querstange über dem Kombüsenherd auf der Thor Heyerdahl. Man könnte meinen, dass das Leben als Kochlöffel recht eintönig sei. Doch das eines Kochlöffels auf der Thor Heyerdahl kann niemals langweilig werden.
Morgens wird er um sechs Uhr vom Geklapper beim Ausräumen der Obstschüssel geweckt. Die Backschaft fängt an, Obstsalat für neunundvierzig Personen zu schnippeln. Nebenbei wird Brot geschnitten, Käse und Wurstteller werden bereitgelegt und Kaffee gekocht. Um zwanzig nach sieben wird es dann für schätzungsweise eine Stunde etwas ruhiger in der Kombüse, denn die Wachen drei und vier müssen unten in der Messe bedient werden. Wenn dann deren Hunger gestillt wurde, geht es in der Kombüse weiter. Dann kommt besagter Kochlöffel, wenn er Glück hat, zum ersten Mal in Gebrauch, um bei der Zubereitung des Mittagessens zu helfen.
Eines Tages wurde er jedoch schon vor seinen normalen Einsatzzeiten benutzt, denn die Backschaft wollte der Besatzung der Thor einen Gefallen tun. Kichererbsen waren schon am Tag zuvor eingelegt worden, sodass sie nun in der Frühe schon für einen Hummus verwendet werden konnten. Der Kochlöffel wurde von seiner Querstange gelupft und mit Schwung in die pürierte Sesam-Kichererbsenmasse eingetaucht. Aus seinem Griffwinkel erblickte er, wie Öl, eine Prise Salz, Pfeffer und Zitronensaft nach und nach dazugegeben wurden. Ab und zu tauchten neben ihm kleinere „Probierlöffel“ in die Masse ein und wie aus dem Nichts kamen noch Kräuter und andere Gewürze hinzu.
Irgendwann waren die Köche wohl zufrieden und es gesellten sich auch noch die anderen Frühstücksbediensteten zurück. Weiter ging es mit dem Zerkleinern diverser Paprikas, Karotten, Gurken und Salatblättern. Nebenbei wurde der Kochlöffel liebevoll in heißem Wasser eingeschäumt, abgespült und getrocknet. Dabei kam er mit dem Geschirrhandtuch ins Gespräch. Dieses war jedoch nicht so gut gelaunt, denn es hatte heute schon neunundvierzig Teller, Tassen, Messer und Schälchen abgetrocknet und fühlte sich schon ziemlich durchnässt.
Dann trennten sich wieder die Wege der beiden. Der Kochlöffel wurde zurück an die Querstange, das Geschirrtuch auf seine Wäscheleine über dem Spülbecken gehängt. Die Backschaft machte sich inzwischen fleißig ans Kartoffelschälen. Einhundertfünfzig dunkelbraune Kartoffeln wurden erst mit Atlantikwasser geschrubbt, dann mühevoll geschält und schlussendlich in kleine Würfel zerteilt und in zwei riesige Töpfe geschmissen. Plötzlich hatte der Kochlöffel wieder alle Hände voll zu tun, beziehungsweise wurde er von allen Händen bedient. Zweimal musste er im einen Topf rühren und einmal im anderen, immer und immer wieder, sodass die dabei entstehende Kartoffelsuppe immer heißer wurde. Die Gemüsebrühe gab der ganzen Masse einen würzenden Geschmack, Kokusnussmilch und Limettensaft rundeten den Topfinhalt ab und der Kochlöffel zog beständig seine Kreise in der gelblichen Masse. Die Töpfe zu wechseln wurde mit der Zeit sehr anstrengend. Der Bräter beschwerte sich auch schon, denn gerade wurde er mit der dritten Ladung Brotkrümeln und einer Menge Öl überfallen. Er konnte ja nicht wissen, dass dies nun die letzte Portion war. Die Kartoffel-Limettensuppe musste jedoch noch püriert werden. Der Kochlöffel durfte nun nicht mehr im Topf bleiben, er wurde durch den Pürierstab ersetzt und einfach in den Nachbartopf gesteckt. Er hatte sich glatt zu früh über eine Pause gefreut. Als dann der Pürierstab seine Arbeit getan hatte, wurden noch Schöpfkellen in die Suppe gelegt und es wurde immer enger im Topf. Eine der Backschaftlerinnen klingelte mit der heiß ersehnten Glocke zum warmen Essen. Gemeinsam hievten sie die schweren Töpfe die Niedergänge herunter in die Messe.
Der Kochlöffel wurde unruhig, denn er hatte bisher ja seinen Platz im Topf nicht verlassen. Hatte die Backschaft ihn etwa vergessen? Zorn stieg in seinem Stiel auf; als er aber merkte, dass er ja noch nie in der Messe gewesen war, verflog seine Wut und die Neugierde überwog. Die ganze Schülerschar, der Stamm und der Kapitän strömten in die Messe. „Ding!“, die Schiffsglocke erklang. „Hallo zusammen, heute präsentiert die Backschaft eine Kartoffel-Limettensuppe mit Brotkrümeln. Dann wünschen wir einen guten Appetit nach der stillen Minute“, hörte er eine Stimme sagen und dann wieder: „Ding!“ Genau sechzig Sekunden war es leise, bis Tellergeklapper, Lachen und ein wirres Durcheinanderreden die Messe erfüllten. Der Kochlöffel war erstaunt, denn er war nur das ständige Musikgedröhne aus der Kombüse gewöhnt. Die Messe war mit all den Leuten jedoch noch viel lauter und anstrengender. Die Backschaft schien auch gestresst und bemühte sich redlich, alle so schnell wie möglich zu bedienen. Nach einiger Zeit waren die Bäuche tatsächlich alle gefüllt und die Leute in der Messe zufrieden und satt.
Dann ging der Spaß für die Backschaft erst richtig los. Die Musik wurde in der Kombüse wurde noch einmal richtig aufgedreht und Spülbecken aufgefüllt. Teller, Gläser, Messer, Gabeln, Töpfe und all der andere Kram, der zuvor benutzt worden war, musste sauber werden und wieder an den angestammten Platz zurückgestellt werden. Natürlich wurde der Kochlöffel, der froh war, wieder in seiner vertrauten Kombüse zu sein, auch sauber gemacht. Beim Abtrocknen erzählte er dem Geschirrhandtuch die Geschichte über seine abenteuerlichen Erlebnisse. Das Geschirrtuch lauschte gebannt seinen Ausführungen und wollte gar nicht fertig mit dem Abtrocknen sein, trennte sich dann aber doch schweren Herzens vom tollen Kochlöffel. Dieser war allerdings erleichtert, endlich wieder an seiner geliebten Querstange zu hängen und den Überblick über die ganze Kombüse zu haben.
Und wenn er nicht über Bord gefallen ist, dann hängt er heute noch dort und wird täglich in der Kombüse benutzt.
P.S. Alles, alles Gute zu deinem 14. Geburtstag Tom! Genieße deinen Tag. Hab dich ganz toll lieb, deine große Schwester Kira