von Marie und Kira
Als Ruth uns vor der Reise erzählte, wir würden in Kuba eine „Hochbegabten-Schule“ besuchen, wussten wir zunächst nicht, was uns erwartet. Aber die Federico-Engels-Schule, die wir hier besuchten, hat unsere Erwartungen zum einen übertroffen, uns zum anderen jedoch auch sehr verblüfft.
Begonnen hat unser Besuch damit, dass wir am ersten Abend mit herzlichem Applaus von den Schülern begrüßt wurden. Es folgten einige kulturelle Beiträge, außerdem wurden tolle Lieder gesungen, traditionelle Tänze getanzt und ein Theaterstück vorgeführt. Wir waren erst einmal positiv überrascht von soviel Talent, aber es kam noch besser: Nach dem „offiziellen Teil“ wurde laute Popmusik eingeschaltet und die Schüler zogen uns auf den Schulhof, um mit uns zu tanzen und eine Art „Crashkurs“ in allen erdenklichen Variationen von Schrittfolgen zu geben – besonders bei Letzterem wurde mehr gelacht als getanzt.
Uns hat es schon bei dieser ersten Begegnung erstaunt, wie offen, herzlich und lieb wir empfangen wurden, aber auch wie toll die Kubaner tanzen konnten – vor allem die Schülerinnen haben wir um ihren Hüftschwung beneidet.
Als wir am nächsten Morgen dann wieder zur Schule kamen, wurde jedem einzelnen von uns zuallererst ein kubanischer Schüler als Tutor zugeteilt. Das Mädchen, das auf mich (Kira) zu kam, stellte sich freundlich lächelnd als „Quiriat“ vor. Während sie mich mit den anderen in einen Versammlungsraum führte, blieb mir gerade genug Zeit, ihr Kleidung genauer in Augenschein zu nehmen: Sie trug eine Schuluniform, bestehend aus einem dunkelblauen Hosen-Rock und einer hellblauen Bluse. An ihrem rechten Ärmel war ein laminiertes Schildchen befestigt, dessen Bedeutung uns später erklärt werden sollte.
In dem Zimmer empfingen uns sowohl einige andere Schüler, als auch die Direktorin der Schule, die nun das Schulsystem erläuterte: Während in Deutschland die weiterführende Schule meist in der 5. Klasse beginnt und nur vom letzten Jahreszeugnis abhängt, beginnt sie in Kuba in der 10. Klasse und im Falle der Federico-Engels-Schule muss der Notendurchschnitt der 7., 8. und 9. Klasse mindestens die Note „1-“ betragen. Außerdem muss eine Aufnahmeprüfung mit ähnlich herausragendem Notendurchschnitt bestanden werden. Ist man dann endlich auf der Schule, werden jeden Monat Prüfungen geschrieben, die ebenfalls mit einer 1- oder besser bestanden werden müssen.
Die vorher schon erwähnten Etiketten am rechten Ärmel eines jeden Schülers bedeuten im Grunde genommen ihren Status. Es gibt zwei Arten: Die Blauen werden getragen, wenn die Schüler ihren Reinigungsdienst haben, sie putzen dann ihre Schule oder helfen bei Reparaturarbeiten. Wäre das in Deutschland nicht undenkbar? Die roten Schilder zeigen zuerst an der Intensität der Farbe, ob die Schüler „intern“ oder „semiintern“ sind, ob sie also in der Schule wie in einem Internat leben, oder ob sie nach dem Unterricht nach Hause gehen. Ansonsten ist noch die Schulart, der Name der Schule und die Naturwissenschaft abgebildet.
Die Direktorin der Schule betonte auch sehr oft stolz , dass es wirklich nur auf die Intelligenz und nicht auf das Geld ankomme, da Bildung in Kuba kostenlos ist. Was mir persönlich noch auffiel, ist, dass die Kubaner im Gegensatz zu den deutschen Schülern motiviert zur Schule zu gehen und mit Begeisterung lernen.
Nach unserer gemeinsamen Versammlung wurde uns Kusis in kleinen Grüppchen die Schule gezeigt – auch diese war ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte. Das Schulhaus ist ein großes, offenes Gebäude, eigentlich komplett in Blau gehalten, das viele verschiedene Flure und Zimmer hat – ohne unsere Tutoren wären wir wortwörtlich verloren gewesen. Wir durften auch die einzelnen Klassen besuchen. Es fiel sofort auf, dass die Unterrichtsräume zu Hause meist größer und moderner ausgestattet sind. Außerdem hat jede Klasse ein Art Wahlspruch mit dem sie, begleitet von Klatschen, Schnippsen, Schenkelklopfen und Stampfen, die Revolution, ihre Nationalhelden und Kuba selbst huldigen. Als zum ersten Mal ein Schüler anfing zu rufen und die anderen es ihm gleich taten, bekamen wir einen gehörigen Schrecken, doch bei den folgenden Klassen verfolgten wir es mit Interesse und mit großer Verblüffung.
Unsere Führung beinhaltete auch ein Essen in der Kantine, bei dem es zu ein paar Unsicherheiten bezüglich der Frage kam, was uns da wohl aufgetischt wird. Nun können wir berichten, dass wir Maisbrei, Yuca, eine Art Rührei mit Soße, Reis und zum Nachtisch eine Mischung aus Götterspeise und Gelee aßen.
Meiner Meinung nach hat es eigentlich ganz gut geschmeckt, besonders der Brei war etwas Neues. Ebenfalls zeigte Quiriat mir die Schlafsäle der internen Schüler. Jeder Schüler hatte ein Bett und einen halbhohen Spind. Der Raum war mit ungefähr 30 Stockbetten gefüllt, die frei im Raum standen. Wir KuSis, die die Enge unserer Thor gewohnt sind, waren eher verwundert, als entsetzt. Vor unserer Reise wäre es für mich sicher nur schwer vorstellbar gewesen, mit so wenig Raum und Privatsphäre auszukommen. Die Kubaner sind jedoch glücklich, Quiriat erzählte mir, dass sie wie eine große Familie sind, ähnlich wie wir KuSis auch.
Am folgenden Tag durften wir dem Unterricht beiwohnen, der sich im Allgemeinen nicht sehr vom heimischen unterscheidet. Die Pausen zwischen den Stunden waren da schon etwas ganz anderes: Während man Zuhause in Gruppen zusammensteht, sein Pausenbrot isst und sich unterhält, tanzt man im Internat zu kubanischem Pop aus einer Musikbox und spielt Gesellschaftsspiele.
An unserem zweiten Tag in Pinar del Rio durften wir auch einige Schüler besuchen und wir haben zusammen eine äußerst interessante Stadttour gemacht.
Nun ja, man soll aufhören, wenn es am schönsten ist: Es wurde ein Abschiedsabend organisiert, bei dem von beiden Seiten kulturelle Beiträge vorgeführt wurden. Das wohl Beeindruckendste der Federico-Engels-Schule waren die Breakdancer, doch auch der wundervolle Gesang und Tanz hat uns sehr gefallen. Wir boten ein Y.M.C.A, was wir alle im Chor mit den dazu gehörigen Figuren sangen, wobei unsere kubanischen Freunde sofort begeistert mitgesungen haben. Außerdem sang eine kleine Gruppe KuSis „Mad World“ und eine andere erstellte aus den Schrittfolgen des Disco Foxs eine Choreographie . Doch alle, sowohl deutsche, als auch kubanische Schüler wurden komplett überrumpelt, als Joe für uns breakdancte und man nicht mehr erkennen konnte, ob aktuell der Kopf, der Rücken oder die Schulter auf dem Boden glitt, da er sich so schnell in der Windmühle drehte.
Als es schließlich zum Abschied kam, bedankten sich alle für die tolle Zeit und diesen unvergesslichen Austausch. Ich persönlich muss sagen, dass es äußerst interessant war, die Schule kennen zu lernen und mir die Kubaner (besonders Quiriat) in dieser kurzen Zeit wirklich ans Herz gewachsen sind – auch, wenn ich sie immer noch wegen ihres Hüftschwungs beneide!