Vom Minimalisten zum Kapitän

Schülerin Klara

von Klara

Panisch reiße ich meine Augen auf. Um mich herum, vorne, hinten, oben … egal wo ich hinschaue, ist es weiß. In einem ca. 3m großen Radius entfernt von meinem „Survival Pack“ – bestehend aus Schlafsack, Klamotten, Rucksack, Trinken und Müsliriegel – ist eine Nebelwand. Vor Kälte zitternd setzte ich mich auf.

Wo bin ich eigentlich? Nach ungefähr zwei Minuten Dasitzen und Nichtstun, außer mir den Hintern abzufrieren, springe ich auf und ziehe mir meine Ölzeugjacke an: Falmouth, Solo!
Die restliche Zeit bis zum Wecken döse ich noch ein wenig vor mich hin und genieße die Stille um mich herum. Meine Sachen habe ich innerhalb weniger Minuten zusammengepackt und mache mich auf den Weg zum Sammelpunkt.

Mittlerweile stehen wir am Strand. Der Nebel verdeckt immer noch den Wald und nur ab und zu sieht man einen schemenhaften Umriss zwischen den Bäumen auftauchen und sich zu den schweigenden Gestalten am Strand zu stellen. Das Einzige, was die Stille ab und zu durchbricht, ist das Platschen der Steine, die einige über das Wasser flitschen lassen. Erst als David und Nele kommen, wenden wir uns einander zu, stellen uns in einen Kreis und David beginnt einen Text vorzulesen: “Die Stille,…“

Das Solo ist nun zu Ende, doch wieder zu sprechen ist gar nicht so einfach. Zögerlich beginnt der ein oder andere seine Erlebnisse der Nacht den anderen mitzuteilen. So richtig wieder in der Wirklichkeit scheint jedoch noch niemand angekommen zu sein. Doch als unser Rescueboat mit einem uns gut bekannten Pärchen aus dem Nebel auftaucht, ist wieder reges Lachen zu hören und die Stimmung lockert sich auf.

Nachdem Ruth und Detlef uns sicher zur Thor navigiert hatten, erwartete uns ein prächtiges Sonntagsfrühstück. Doch natürlich war das Solo nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Es gab zwar vereinzelt Gespräche und Gelächter, doch von der Ausgelassenheit, die normalerweise überall herrscht, war beim Frühstück nichts zu spüren.

Nicht einmal während der stillen Minute konnte man das übliche Kichern vernehmen. Doch lange währte das nicht, denn ein weiteres Ereignis sollte uns an diesem Tag überrollen. Die dritte und letzte Schiffsübergabe würde heute beginnen. Es waren reichlich Bewerbungen eingegangen und der Stamm hatte seine Wahl getroffen. Direkt nach dem Frühstück wurden die Positionen bekanntgegeben:

Kapitän: Josef
Projektleitung: Kathi und Janna
Steuermänner/ -frau: Joe,Ilja und Kira
Proviantmeister: Hannah und Marie
Wachführer: David, Laura, Jona und Ally
Bootsfrauen: Vicky und Louise
Copis: Noah, Jule, Klara und Manu
Maschinisten: Julius und Jordy
Fotograf: Christian

Schülerkapitän Josef stand sogleich vor seiner ersten Herausforderung, denn um das Schiff wirklich übergeben zu bekommen, mussten die von Detlef gestellten Aufgaben noch erfolgreich gelöst werden. Es dauerte nicht lange und so konnten wir pünktlich aus Falmouth ablegen.

Ich kann mich noch erinnern, wie wir vor einem halben Jahr aus Falmouth ablegten, ich an einem Tampen stand und versuchte, alles richtig zu machen. Jetzt stehen meine Mitschüler überall auf dem Deck verteilt, brüllen selbst Befehle und setzen nach und nach die Segel.

Doch es ist nicht nur die dritte Schiffsübergabe, sondern wahrscheinlich auch die anspruchsvollste, denn die Schwierigkeit wird es sein, mit den Gezeitenströmen zu navigieren. Außerdem fahren wir durch verschiedene Verkehrstrennungsgebiete, was die Sache noch einmal anspruchsvoller gestaltet. Während Wache Vier also langsam auf dem Achterdeck eintrudelt und wir hinter uns den Sonnenuntergang bestaunen können, stelle ich fest, dass ich absolutes Vertrauen in meine Freunde habe. Ich bin mir sicher, dass wir es schaffen werden, pünktlich in Greenwich einzulaufen. In diesem Sinne wünscht die abziehende Wache der aufziehenden Wache eine:

„Goude Wacht“!

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