Rauchende Köpfe auf 14°10,1′ N; 043°34,4′ W

paulaDatum: Mittwoch, der 03.12.2014
Mittagsposition: 14°08,9′ N; 043°41,8′ W
Etmal: 127 sm
Wetter: Lufttemperatur: 30° C, Wassertemperatur: 27°C, Wind: ESE 3
AutorIn: Paula

Zuhause in Deutschland, irgendwann im letzten Schuljahr. In ein paar Tagen schreiben wir eine Schulaufgabe. Der Lehrer meint, wir hätten nur noch sehr wenig Zeit, nämlich noch 4 Schulstunden, um den Stoff vor dem Test durchzubekommen und alles zu üben. Also schön die Hausaufgaben machen und zusätzlich noch lernen, neben allen anderen Hobbys, Schulaufgaben und der Zeit, die man noch mit Freunden verbringen möchte – der Zeitplan ist eng, aber machbar.
So oder so ähnlich kennt das sicher jeder Schüler unter uns. Nun ist es auch bei uns so weit: Der erste Test der Reise, Deutsch, steht an. Auch hier an Bord gilt es, mit den Unwägbarkeiten des Schulalltags zurecht zu kommen. Diese sind auf der Thor Heyerdahl allerdings grundlegend anders, als in der Heimatschule.

In den Deutschstunden haben wir dann zum Thema „Tschick“, einem Jugendbuch von Wolfgang Herrndorf, gearbeitet. Aber wie das hier so ist, passieren dann doch immer wieder kleine Zwischenfälle, die von der Vorbereitung ablenken: Wenn endlich der heiß ersehnte erste Fisch an unserer Angel hängt, müssen natürlich alle schnell „gucken“ gehen. Man merkt natürlich dann auch manchmal, dass man sich ja auf einem Segelschiff befindet. So wurde neulich zwischen Unterrichtsbeginn und Frühstück noch schnell mal eine Halse gefahren, bei der natürlich auch alle „Unterrichtsleute“ mit ranmussten. Was auch noch ziemlich ungewohnt ist: hier ist der Schultag nicht durch einen Gong durchgetaktet. So müssen dann manchmal auch die Lehrer nochmal nachschauen, bis wann genau denn nun ihre Stunde geht.

Aber um wieder zum Deutschtest zu kommen: Mit zusätzlichem Lernen ist es hier auch anders als Zuhause: Dort könnte man seine Lernzeit zwischen alle anderen Aktivitäten legen, so wie man möchte. Oder man könnte im Bus zur Schule lernen. Hier ist man mit Wache, Reinschiff, Praktikum, Unterricht und Projekten allerdings rund um die Uhr beschäftigt, Allerdings gibt es alle zwei Tage eineinhalb Stunden Freiarbeit. Hier kann man sich selbstständig aussuchen, welche Inhalte man bearbeiten will. Am Anfang treffen sich alle, und sagen wo sie was arbeiten wollen. Vor dem Test sagen hier alle reihum: „Deutsch!“ Die Orte variieren dann von Bibliothek und Messe bis zu Ladeluke oder Deckshaus (mein persönlicher Favorit!). Nachdem wir uns dann also alle nochmal fleißig vorbereitet haben, schreiben am Testtag selber alle 34 Schüler gleichzeitig. Das heißt, der Stamm übernimmt für uns die Fahrwache.

Jetzt gibt es noch eine weitere Besonderheit: Wir haben theoretisch unten in der Messe und oben an Deck Tische zum Schreiben. Wir müssen uns also aufteilen, weil wir sonst zu dicht nebeneinander sitzen. Ich entscheide mich für unten. Das hat den Vorteil, dass ich auf keinen Fall in der Sonne sitze (die brennt inzwischen schon ziemlich vom Himmel) und dass meine Blätter weder wegwehen noch aufs nasse Deck fallen. Der Nachteil: In der Messe ist es ziemlich stickig und warm. Um dem entgegenzuwirken, werden extra Lüfter aufgestellt. Die Blätter werden ausgeteilt, oben wird der Kopf notiert. Noch ein kleines Schmunzeln allerseits bevor es ernst wird: Anstatt der Schule notieren wir unsere Zehn-Uhr-Position. Dann geht es los, eineinhalb Stunden höchste Konzentration. Meine Wasserflasche kann ich nicht einfach so auf den Tisch legen, sie würde wegrollen, also stelle ich sie zwischen mich und die Wand. Wenn ein Stift herunterfällt, kullert er erstmal mit den Wellenbewegungen unterm Tisch herum, bis er wieder eingefangen wird.
Es ist kurz vor zwölf, die Zeit ist um und die Arbeiten werden abgegeben. Lief ja eigentlich ganz gut. Alle sind froh, dass der Test vorbei ist. Und schon holt uns der Alltag wieder ein: die Backschaft begibt sich schnellstens wieder in die Kombüse. Denn alle haben jetzt Hunger und wir haben nicht ewig Mittagspause. Weil alle jetzt aufs Klo müssen, steht man vor den Toiletten eine Weile an. Denn auf der Thor haben wir ja nur drei…

Beim Abendessen war Kai schon leicht genervt, da er alle fünf Minuten gefragt wurde, ob er schon mit dem Korrigieren angefangen hat. Zuhause kann man die Lehrer damit nur eine Dreiviertelstunde am Tag nerven.
Nun richten sich alle Gedanken auf den Mathetest am Samstag. Währen der Freiarbeit, in der wir dafür lernen, wird ein Wal gesichtet. Da rückt der Test dann doch erstmal wieder in den Hintergrund.

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