Kubanisch unterwegs

paul fineAutoren: Fine, Paul

Pferdehufe klappern, Oldtimer röhren und Dampfloks zischen. Ist man in Kuba unterwegs, fühlt man sich meistens in die Vergangenheit zurückversetzt. Insbesondere, wenn man nicht die den Touristen vorbehaltenen Verkehrsmittel nutzt, versteht man, warum Kuba als das größte Freilicht-Transportmuseum der Welt gilt. Der Mangel an neuen Fahrzeugen hat bei kubanischen Technikern offenbar größte Kreativität im Reparieren von alten Autos und Bussen entfacht, sodass amerikanische Straßenkreuzer aus den 40er und 50er Jahren in Kuba das Alltagsbild der Straßen bilden. Auch wenn sich dieses Bild durch eine langsam zunehmende Zahl koreanischer Exporte allmählich verändert, lassen kubanische Verkehrswege oft noch einen tiefen Blick in die Vergangenheit zu.
Nun eine kurze Übersicht öffentlicher kubanischer Verkehrswege bzw. Verkehrsmittel:

1. Straßenverkehr: Kuba verfügt über ein weites, aber schlecht instand gehaltenes Straßennetz, auf dem neben dem Individualverkehr auch einige öffentliche Verkehrsmittel unterwegs sind.

1.1 Viazul-Busse: Viazul ist ein Busunternehmen, das Touristen aufgrund der relativ hohen Preise vorbehalten ist, aber auch das einzige, das Touristen offiziell nutzen dürfen. Die Busse sind für uns gewöhnliche, moderne, klimatisierte Reisebusse.

1.2 Astro-Busse: Astro-Busse sind das kubanische Äquivalent zu den Viazul-Bussen und nehmen so gut wie keine Touristen mit.

1.3 Intermunicipial-Busse: Ab hier wird das Reisen eigentlich erst interessant. Es verkehren meist uralte kanadische Schulbusse oder umgebaute Sattelschlepper innerhalb einer Provinz. Sehr unzuverlässig und unpünktlich, aber dafür spannend.

1.4 Colectivos/Taxi National: Selbst zusammengeschweißte LKWs, die einem Viehtransporter ähneln oder alte amerikanische Autos, die sehr unregelmäßig auf festgelegten Routen fahren; wenn man Glück hat alle zwei Stunden, allerdings ist die Abfahrtszeit meist unbekannt.

1.5 Staatliche Taxis: Moderne koreanische Autos, die vor allem Touristen nutzen und dementsprechend teuer sind: Ca. ein CUC (entspricht knapp einem Euro) pro km.

1.6 Bici-Taxi, Moto-Taxi, Pferdekutsche: Eigentlich für Kubaner gedacht, lassen sie kaum eine Möglichkeit aus, ein paar Devisen nebenbei zu erwirtschaften. Sie sind deutlich billiger, aber auch unkomfortabler als die staatlichen Taxis.

1.7 Anhalter: Durch das gewaltige Transportproblem Kubas ist Reisen per Anhalter ganz normal. Es gibt sogar vom Staat eingestellte Einweiser (Amarillos), die den Anhaltern die Autos zuweisen. Fahrzeuge mit blauem oder braunem Nummernschild (staatseigen) sind gesetzlich dazu verpflichtet, Anhalter mitzunehmen.

2. Schienenverkehr: Auch wenn Kuba stolz darauf ist, das einzige Land der Karibik und das fünfte der Welt zu sein, in dem es eine öffentliche Eisenbahn gibt, ist das Schienennetz verfallen und es fahren nur einmal täglich Züge. Verspätungen unter 6 Stunden werden kaum registriert, da sie durchaus bis zu drei Tagen betragen können. Auf jeden Fall die abenteuerlichste Art, sich in Kuba fortzubewegen.

3. Luftverkehr: Mit der staatliche Fluggesellschaft „Cubanacan“ können Einheimische verhältnismäßig günstig reisen – ist auch für Touristen vorgesehen

4. Schiffsverkehr: Die meisten Fähren fahren ca. einmal täglich, wenn man Glück hat sogar mehrmals täglich. Allerdings stehen Fahrplan und tatsächliche Abfahrtszeiten dabei in keinerlei Verbindung zu einander.

Doch wie gestaltet sich kubanisches Reisen in der praktischen Umsetzung? Dazu wollen wir nun einige kleine Geschichten erzählen:

Der Kutschen-CUC – Autor: Paul
Nach einer langen Fahrradtour, auf der wir schon so einigen ungewöhnlichen Fahrzeugen begegnet sind, erreichten wir Vinales. Kaum waren wir angekommen, wollte ich eigentlich schon wieder in die Stadt, doch die war 4 km entfernt und ohne Schloss ließ sich das Fahrrad kaum in der Stadt abstellen. Als fragte ich Ruth, ob es eine andere Möglichkeit gäbe, in die Stadt zu kommen, doch sie lachte nur und meinte, ich könne ja versuchen, bei einem alten Herrn auf der Pferdekutsche mitzufahren. So abwegig die Idee zunächst auch war, nahm ich sie beim Wort und machte mich mit Soraya und Martin auf den Weg zur Straße. Schon nach fünf Minuten näherte sich von hinten die erste Pferdekutsche und Martin rief hoffnungsvoll: „¿Vinales?“ „¡No!“ war die einsilbige Antwort des Kutschers, der daraufhin auf die Straße nach Vinales abbog. Von wegen kubanische Freundlichkeit! Als sich die nächste Kutsche näherte, zückten wir, noch nicht ganz im Bewusstsein des Geldwertes, einen CUC-Schein (entspricht in etwa einem Euro) und wedelten der Kutsche entgegen . „¿Vinales?“ fragten wie wieder und der Bauer sah in unserem CUC-Geldschein 24 Pesos, die schon mal ein Zehntel seines Monatsgehaltes ausmachen können, sodass er uns freudestrahlend „¡Si!“ zurief. Wir stiegen ein und genossen die viertelstündige Fahrt. Den Rückweg traten wir dann zwei Stunden später mit einem staatlichen Taxi an, Kostenpunkt: drei CUC.

Der Zug, den es nicht geben dürfte – Autor: Paul
Damit während unserer Kleingruppenexkursion keine Langeweile aufkam, entschieden wir uns, einen zweitägigen Ausflug nach Remedios zu unternehmen. Die Hinfahrt sollte mit dem Zug erfolgen; die Rückfahrt mit einem Intermunicipialbus. Laut Reiseführer sollte der Zug 2x täglich verkehren, der Bus sogar 3x täglich. Trotzdem schaute Ruth, für uns damals unverständlicherweise, sehr skeptisch, als wir unser Programm vorstellten und wünschte uns viel Glück und viel Geduld für unsere 50 Kilometer lange Reise. Beides konnten wir später noch gebrauchen. Um genaue Zeiten zu erfahren, machten wir uns einen Abend zuvor auf den Weg zum Bahnhof von Santa Clara, wo wir den ersten (und vorerst auch einzigen) Zug der Ferrocaril Cuba sahen. Wir mussten ein wenig suchen, bis wir auf einem Bahnsteig einen winzigen Glaskasten mit der Aufschrift „Información“ entdeckten. Während sich der Zug hinter uns kreischend in Bewegung setzte, sprachen wir den Mann, der gelangweilt in einer sehr männlich orientierten Zeitschrift blätterte an: „¿Hay un tren con destino Santa Clara manana?“ „¡No!“ „¿Y un otra dia?“, versuchen wir es erneut. „¡No, no hay trenes en Cuba!“ Aha. Wir überlegten, was das denn wohl gewesen war, was vor fünf Minuten klappernd losgefahren war, oder welchen Sinn sein Job dann eigentlich hat, aber fragten nicht mehr nach, sondern verschoben unseren Ausflug spontan um zwei Tage nach hinten. Nachdem wir nun wussten, dass es angeblich in ganz Kuba keine Züge gab, versuchten wir unser Glück einen Tag später noch am Busbahnhof. Dieser Besuch war leider ähnlich informativ wie der am Bahnhof, sodass wir als letzte Chance unseren Gastgeber Frank zu Rate zogen. Dieser empfahl uns ein „Colectivo“, ein Sammeltaxi oder „Taxi Nacional“, was nahezu ausschließlich von Einheimischen genutzt wird, die auch kein Problem damit haben, ihre zweieinhalbstündige Fahrt stehend zu verbringen. Als wir Frank von unserem ursprünglichen Plan erzählten, den Zug zu nutzen, ernteten wir nur lautes Lachen und die Frage, wie lange denn ein Zug von Hamburg nach Berlin bräuchte. Wir antworteten wahrheitsgemäß mit 2-3 Stunden, woraufhin er uns die Zeit in kubanische Reisezeit umrechnete: 1-2 Tage. Ein wenig beleidigt machten wir uns am nächsten Morgen auf den Weg zum Busbahnhof, wo laut Franks Aussage „colectivos“ nach Remedios abfahren sollten. Nach einem zwanzig-minütigen Fußweg trafen wir ziemlich orientierungslos am Busbahnhof ein. Ohne jegliche Idee, wie es weitergehen sollte, betraten wir das Gebäude, in dem hektisches Treiben herrschte. Wir hatten unbeschreibliches Glück, dass uns sofort ein Busfahrer anbrüllte: „¡REMEDIOS!“. Da uns unser Gastgeber von einer Busfahrt ebenfalls abgeraten hatte, zögerten wir zwar kurz, als die Fahrt jedoch nur einen Peso, also vier Cent kosten sollte, stiegen wir schließlich ein und fanden (für acht Leute) sogar noch zwei Sitzplätze. Auch wenn es auf dem Boden sehr staubig und ungemütlich war, genossen wir die Fahrt und erreichten schon nach anderthalb Stunden glücklich Remedios.
Trotz aller Erleichterung mussten wir uns natürlich auch mit der am nächsten Tag geplanten Rückfahrt beschäftigen. Als erstes versuchten wir es äußerst optimistisch wieder am Bahnhof. Der bestand jedoch nur noch aus vier Mauern, zwischen denen sich ein eingestürztes Dach verstreute. Inmitten des Schutts saß eine kubanische Bahnhofsbeamtin an einem Tisch mit dem letzten funktionierendem Equipment des Bahnhofs: Einem Telefon. Auch sie erklärte uns freundlich aber bestimmt, dass es hier keine Züge gäbe und deutete auf ein Schild, dem wir entnehmen durften, dass der Bahnhof leider von 2015-2034 renoviert werde und deshalb keine Züge verkehren würden. Wir fragten also wieder einen erfahrenen Kubaner, diesmal unsere Gastgeberin in Remedios. Die meinte ohne jeden Anflug von Humor: „¡Con un tren!“ und sah uns nur fragend an, als wir einem plötzlichen Lachanfall erlagen. Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, gab sie uns die Adresse einer Frau, die uns einen Zug organisieren würde, und als wir selbige am nächsten Tag besuchten meinte sie nur, der Zug würde in einer Stunde für uns kommen. Nach anderthalb Stunden Warten am verlassenen Bahnhof erkannten wir aus der Ferne etwas, das aussah wie ein Auto auf Schienen und dies auch beim Näherkommen blieb. Zwei Männer stiegen aus und hoben mühelos den angehängten kleinen Eisenbahnwagen aus den Gleisen. Auf Nachfrage hin teilten sie uns mit, dass sie uns definitiv nicht nach Santa Clara fahren würden. Hoffnungslos verbrachten wir eine weitere halbe Stunde am Bahnsteig, bis aus weiter Ferne ein lautes Tuten und Stampfen ertönte. Fünf Minuten später bog eine gewaltige Dampflok der Ferrocaril Cuba um die Kurve, dessen Lokführer uns auf eine surreale Fahrt nach Santa Clara einlud. Wir stiegen also in einen der zwei angehängten Wagen ein und begaben uns auf eine einstündige Fahrt voller authentischem Kuba. Ganz heimlich lachten wir Frank vielleicht ein bisschen aus, als wir den Zug verließen und den Fahrpreis entrichteten: 0,00 CUC

Lauft um euer Leben! – Autorin: Fine
„Was wollen wir morgen machen?“ Das war die Frage, die wir uns am vorletzten Abend unserer Kleingruppenexkursion stellten. Als wir uns nach viel Überlegen und Diskutieren immer noch nicht geeinigt hatten, beschlossen wir, unsere freundliche Vermieterin zu fragen. Sie machte uns dann auch ganz begeistert mehrere Vorschläge und wir einigten uns schließlich auf einen Ausflug mit der Fähre zu einem nahe gelegenen Kastell. Als wir nach der Fähre bzw. den Abfahrtszeiten fragten, lächelte sie nur und sagte, wir sollen uns keine Sorgen machen, die Fähre würde alle zwei Stunden pünktlich fahren. Wir schenkten ihren Worten Glauben und gingen zufrieden ins Bett. Am nächsten Morgen verließen wir dann mit leichter Verspätung unsere Unterkunft, erreichten aber im Laufschritt doch noch pünktlich um zehn Uhr den Fähranleger. Etwas verwundert stellten wir fest, dass keine Menschenseele dort war, außer einer unfreundlich wirkenden Dame im Informationshäuschen. Ein bisschen verdattert fragten wir mit unserem doch recht begrenzten Spanisch, was denn mit der zehn-Uhr-Fähre sei, doch sie antwortete nur, dass die Fähre heute um 13 Uhr fahren würde. Also änderten wir kurzerhand unsere Pläne und verschoben den Ausflug um ein paar Stunden nach hinten. Da wir dieses Mal auf Nummer sicher gehen wollten, beschlossen wir, schon eine halbe Stunde vor Abfahrt am Anleger zu sein. Das stellte sich im Nachhinein auch als eine sehr gute Idee heraus, denn als wir am Fähranleger ankamen, herrschte dort schon großes Gedränge. Etwas verdutzt beobachteten wir, wie die Kubaner, als das Tor geöffnet wurde, auf die Fähre losstürmten, als ginge es dabei um ihr Leben. Schnell begriffen wir, dass wir es genau so machen mussten, falls wir noch einen Platz auf der Fähre bekommen wollten. Also rannten wir los, drückten dem Mann am Tor im Vorbeilaufen das Geld für die Tickets in die Hand und sicherten uns die letzten noch freien Plätze auf der Fähre. Dazu muss man allerdings sagen, dass der Begriff „Platz“ in Kuba recht dehnbar ist: Wir saßen zu acht mit Rucksäcken auf 3 m² auf dem Boden, waren aber trotzdem heilfroh, die Fähre noch bekommen zu haben. Nach kurzem Verschnaufen und näherem Betrachten der Fähre fiel uns auf, dass es weder Geländer oder Absperrungen noch ein richtiges Dach gab, sodass die Hälfte der Passagiere in der prallen Sonne saß. Etwas überpünktlich, um 12:50 Uhr legten wir schließlich ab, wenigstens in diesem Punkt hatte unsere Vermieterin Recht gehabt.
Nach all diesen Fortbewegungsmitteln mag man es kaum glauben, aber man kann in Kuba auch einfach zu Fuß gehen. Na ja, ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht, denn es ist eine Seltenheit, dass man es schafft, 100 Meter zu gehen und dabei von niemandem angesprochen wird. Meist beginnt es mit einem stark akzentuierten „Where are you from?“. Wenn man dann mit „Deutschland!“ antwortet kommt sofort: „Ah Deutschland, alles klar?“, denn diesen Satz kann komischerweise so gut wie jeder. Oft folgt dann noch „Gut Fußball, Bayern München“. Nach diesen Standard-Einstieg folgt dann zu 99% „¿Taxi? Gute Preis“ oder „¿Kutsche?“. Sobald man freundlich ablehnt und versucht zu erklären, dass man lieber zu Fuß gehen möchte, fangen sie energisch an, zu versuchen einem deutlich zu machen, dass der Weg viel zu weit und es doch viel zu warm zum Laufen sei. Außerdem wiederholen sie „Gute Preis“ noch ungefähr 20 mal, bis sie einen dann endlich in Ruhe weitergehen lassen.
Die eben geschilderte Situation trifft allerdings nur auf Städte und dichter besiedelte Gebiete zu, denn wie vorher bereits beschrieben, sieht es auf dem Land weitaus anders aus und man kann es sich in einer Situation wie zuvor erklärt kaum vorstellen, aber auch heute noch ist der Transport eins der größten Probleme Kubas.

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