Das Lehrerzimmer

AnjaDatum: Freitag, der 13.03.2015
Mittagsposition: 33°39,7´ N; 057°11,3´W
Etmal: 158,3 sm
Wetter: Lufttemperatur: 17°C, Wassertemperatur: 20°C, Wind: N 6-7
Autorin: Anja

Auch auf der Thor ist es irgendwann soweit, dass die Lehrer Tests korrigieren, Noten machen und Berichte und Zeugnisse schreiben müssen. Soweit unterscheidet sich unsere Arbeit nicht groß von unserer Arbeit zu Hause.
Wir befinden uns allerdings derzeit mitten auf dem Nordatlantik, bei Windstärken um die 7 Beaufort und Dünung mit bis zu 4 Metern. Zudem befinden wir uns auf einem Schiff, auf dem natürlich nicht jeder Lehrer einen Schreibtisch bzw. einen eigenen Arbeitsplatz hat. Schließlich sind wir 24 Stunden, 7 Tage die Woche von unseren Schülern umgeben, was es uns nicht leicht macht, ein ruhiges und ungestörtes Örtchen zum Korrigieren der Tests zu finden. Doch wie genau schaut unser Alltag am Ende des KUS-Schuljahres aus?

Jeder der vier Lehrer ist in einer anderen Wache eingeteilt. So gehe ich zum Beispiel auf dieser Etappe Wache II und unsere Wachzeit ist von 0200 bis 0500 und von 1400 bis 1700. Da wir tagsüber in der Regel unterrichten, gehen wir Lehrer nur die Nachtwache mit. Nachdem ich also am Morgen gegen 0900 ausgeschlafen und in der Messe auf der Backbordseite gefrühstückt habe (während meine Kollegen auf der Steuerbordseite unterrichten), packe ich meinen Rucksack mit Laptop und Schulbüchern und mache mich auf den Weg in den Salon. Dort richte ich meinen provisorischen Arbeitsplatz ein, lege eine Rutschdecke unter meinen Laptop und beginne den Unterricht für den morgigen Tag vorzubereiten. Kaum habe ich alles ausgepackt, kommt Johannes vorbei, um mir mitzuteilen, dass um kurz nach 1100 eine Stammversammlung im Salon stattfindet. Als sich der Salon langsam zu füllen beginnt, packe ich meine Materialien zusammen, damit der Tisch für die heutige Wetterpräsentation unseres Kapitäns zur Verfügung stehen kann. Vierzig Minuten später wird die Stammversammlung von unserem Kapitän für beendet erklärt. Nun ist es kurz vor 1200, so dass es sich vor dem Mittagessen auch nicht mehr lohnt den „Schreibtisch“ wieder aufzubauen. So lasse ich meinen Rucksack gepackt und wandere wieder Richtung Mitschiff.

Da es mittlerweile regnet, überlege ich mir, mitschiffs zu bleiben. So richte ich meinen Schreibtisch im inoffiziellen Lehrerzimmer, in der Messe backbord achtern, ein und hoffe, dass mich so schnell niemand von meinem Platz vertreibt. Doch schon steht Sammy vor mir und bittet mich aufzustehen, damit er im Rahmen seiner Sicherheitsronde einen Blick in die Bilge werfen kann. Wenn niemand spontan vor hat, einen Kuchen zu backen oder niemandem die Putzmittel ausgehen (Kuchenformen und Putzmittel werden in der Backskiste gelagert), habe ich nun also bis zur nächsten Sicherheitsronde, also eine Stunde, meine Ruhe. Plötzlich steht das Team von Reinschiff Messe/Niedergänge vor mir und bittet mich kurz aufzustehen, damit sie unter den Tischen fegen und wischen können. Da der Chemieunterricht nun eh bald beginnt, packe ich also meine Sachen wieder zusammen und verstaue sie in meiner Kammer.

Nach der Chemiestunde und der Kaffeepause versuche ich noch einmal, die Zeit bis zum Abendessen sinnvoll zu nutzen. Leider hatte ich vergessen, dass heute Abend noch Nachrichten angesagt sind, die Backschaft die Messe also schon früher als gewöhnlich eindeckt, so packe ich also erneut meinen Rucksack und verschiebe die restliche Arbeit auf den Abend. Nach dem Abendessen gleicht das inoffizielle Lehrerzimmer eher einem Esszimmer, so dass ich mir einen anderen Platz suche. Schließlich habe ich nicht mehr lange Zeit, wenn ich noch ausreichend Schlaf vor der Nachtwache bekommen möchte. Der Platz, den ich mir nun ausgesucht habe, erweist sich als äußerst ungeschickt, da die kleinen Teller in der Backskiste unter mir gelagert sind und die Backschaft die gespülten Teller dort verstauen möchte. So ziehe ich auf die gegenüberliegende Seite und sitze direkt vor dem Laptop-Schrank. Auch nicht viel besser. Trotzdem schaffe ich es nun ein wenig zu arbeiten, muss nur hin und wieder die Noten vor neugierigen Schülerblicken verstecken oder meinen Laptop zumachen.

Sobald die Abendaktivitäten beginnen, die derzeit hauptsächlich aus Häkeln bestehen, ist für mich nicht mehr an arbeiten zu denken. Vielmehr verbringe ich die Zeit nun damit, Fadenringe zu erklären, Kettmaschen zu häkeln, Bommeln zu machen oder Fehler in den Häkelmützen zu suchen. Zwischendurch suche ich mit einem Schüler noch einen Fehler in der Redoxreaktion, die wir in der heutigen Chemiestunde behandelt hatten. Nun ist es aber Zeit fürs Bett.

Leider habe ich heute mal wieder nicht alles geschafft, was ich mir vorgenommen hatte. Aber dafür ist morgen ja auch noch ein Tag :). Schließlich lernen hier nicht nur die Schüler flexibel zu sein und Einfallsreichtum zu beweisen, sondern auch wir Lehrer. Das Besondere an unserer Zeit auf der Thor ist der enge Kontakt zwischen Schülern und Lehrern. Neben dem Unterricht und allem was dazu gehört und dem Segeln, verbringen wir auch unsere Freizeit zusammen, sei es beim Häkeln, Spiele spielen oder quatschen.

P.S: Liebe Julia, liebe Janine, alles Liebe und Gute zu Euerm Geburtstag. Ich freue mich schon auf ein gemeinsames Wochenende mit Euch! Liebe Constanze, joyeux anniv et à bientôt, bises.

P.S: Maman,
joyeux anniversaire et une bonne journée!
Sarah

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