Datum: Freitag, der 01.04.2016
Mittagsposition: 39° 53,7′ N; 027° 08,8′ W
Wetter: Lufttemperatur: 14°C; Wassertemperatur: 15,5°C; Windstärke: NNW 4
Etmal: 108 sm
Autorin: Karen
Mein Tag beginnt ganz normal. Als Raja mich um 0700 weckt, um mir mitzuteilen, dass ich in 20 Minuten frühstücken kann und in einer Stunde Wache gehe, habe ich noch keinen blassen Schimmer, wie sich dieser Tag entwickeln wird. Langsam tappe ich aus meiner Kammer raus, meine Augen sind noch halb zu, als ich mich zu meiner Wache an den Frühstückstisch setzte. Ich werde mit jedem Happen Obstsalat wacher.
Die Wache läuft ab wie immer. Wir holen die Gaffelsegel dichter und bearbeiten Ruths Navi-Aufgaben. Eine ganz gewöhnliche Morgenwache. Um 1055 steht Wache 1 bereit, um uns abzulösen. Ein paar der Schüler schauen recht beunruhigt. „Was ist los?“, will Koko, der Wachprinz wissen. Stefan ist der Erste, der sich schließlich traut, den Mund aufzumachen. „Marta, Fidi und Willi werkeln schon den ganzen Morgen in der Tiefkühllast herum. Da stimmt was nicht!“ Meine Wache schaut verdutzt drein, aber nicht nur sie, sondern auch die Hälfte der uns gegenüberstehenden Wache 1. Anscheinend ist noch nichts offiziell. Ich spüre das leichte Unbehagen in mir, schlucke es aber runter. Es gibt nichts, was Willi nicht reparieren kann. Die Wache wird übergeben, es wird nicht mehr über das Problem mit der Tiefkühllast gesprochen. Nach unserer Wache machen wir wie immer Reinschiff und als wir damit gerade fertig sind, klingelt es auch schon zum Mittagessen. Während ich meine Karotten-Ingwer-Suppe löffele, bemerke ich aus den Augenwinkeln, wie Marta und Fidi wild gestikulierend auf Detlef einreden. Dieser ist kreidebleich geworden. Seine Hautfarbe stimmt ungefähr mit der Farbe seines hellgrauen Rollkragenpullovers überein. Er schüttelt nur immer wieder den Kopf. Unser Kapitän scheint sich zwischen kompletter Verzweiflung und purem Entsetzten nicht entscheiden zu können. Neben mir stößt mich Lukas an: „Alles klar? Also wenn du deine Suppe nicht mehr willst, ich nehme sie gerne!“ Ich schüttele nur den Kopf und deute unauffällig zum Kapitänstisch. Auch Lukas erblickt die skurille Situation und wirft mir einen fragenden Blick zu. Ich zucke mit den Achseln. Es wird schon nichts Gravierendes sein, sonst käme eine Ansage. Mein Selbstberuhigungsversuch klappt nicht wirklich.
Beim Kaffee steht Detlef dann vorne. Oh, jetzt kommt’s! Mein Magen krampft sich zusammen. Wir haben auf der Thor schon oft kritische Situationen gehabt, die durchaus zu regeln waren, aber diesmal habe ich das Gefühl, es ist wirklich schlimm. Ich irre mich nicht.
„Hrmh! Mal jetzt zuhören, bitte!“, Detlef fühlt sich sichtlich unwohl. „Die Tiefkühllast ist ausgefallen.“ Ein immenses Raunen geht durch die versammelte Menge in der Messe. „Willi versucht schon alles, aber irgendwie ist die Stromversorgung gekappt. Momentan können wir sie aber nicht wieder herstellen.“ Und jetzt? Die ersten Finger schießen hoch. „Nein, jetzt erstmal keine Fragen. Wie geht es jetzt weiter? Zunächst einmal arbeiten wir auf Hochtouren, damit bald wieder alles funktioniert. Und dann stellt sich die Problematik mit den Tiefkühlsachen. Tja, Zack Peng! Das muss alles weg! Sonst geht uns das ganz schnell futsch! Ab jetzt gibt es also MEHR zu essen!“ Wir sollen die gesamte Tiefkühllast leer futtern?! Marta räuspert sich: „Alles was in zwei Tagen nicht wegkommt, geht über Bord.“ In der Messe herrscht Totenstille.
„Ding, Ding!“ Amelie steht als Backschafterin vorne am Eingang der Messe. Auf der Mittelinseln stapeln sich die Töpfe bis zur Decke. Die meisten von uns haben den Schock schon verdaut. Auf der Thor haben wir gelernt, uns schnell anzupassen. Der Kurs ist bereits geändert worden und wir versuchen, die Azoren wieder zu erreichen. „Also, heute zum Abendessen gibt es Putenbraten, Steaks und Entenbrust mit Kartoffeln und Gemüseragou. Zum Nachtisch servieren wir Eis mit tiefgeforenen Himbeeren.“ Ich werde platzen! Obwohl die Situation ernst ist, sehen wir doch immer noch die positiven Seiten, in dem Fall das Essen.
Um 2315 nach meiner Wache wuchte ich mich in meine Koje. Hoffentlich erreichen wir die Azoren!
April, April!
Tatsächlich ist die Tiefkühllast noch voll funktionstüchtig. Die hier beschriebene Situation ist auf unserer Reise noch nie aufgetreten, ich wurde aber bei einem Brainstorming mit Biolehrer Frank auf die Idee gebracht, der eine ähnliche Situation tatsächlich schon so miterleben durfte. Ich hoffe ihr Zuhause hattet ein paar lustige Aprilscherze auf Lager und seid nicht zu arg reingelegt worden. Der erste April auf der Thor war ein Tag wie jeder andere mit ein paar Aprilscherzen wie ausgetauschten Fotos, verklebten Türen, klarsichtfolieverklebten Toiletten und Tabasco in den Bechern.
P.S.: Liebste Jo,
alles Gute, Liebe und Beste zum Geburtstag, SWEET SIXTEEN!!! Feier schön und denk immer dran, bei einer Geburtstagsparty lieber After Eight dabei zu haben!
Deine Karen
P.P.S.: Liebe Christine,
wir wünschen dir alles Gute zum Geburtstag und hoffen, dass du den Tag genießt.
Deine Lea und Karen