Die stille Minute

schueler.uriDatum: Mittwoch, der 06.04.2015
Mittagsposition: 46° 30,5′ N; 013° 17,1′ W
Etmal: 139 sm
Wetter: Lufttemperatur: 12,0° C, Wassertemperatur: 12,0°C, Wind: NNW 5
Autor: Uri

Pling!
Lea läutet die Glocke zum Abendessen, macht die Ansage der Backschaft und läutet ein weiteres Mal die Glocke.
Pling!
Eine Minute der Stille kehrt ein, in der die verschiedensten Gedanken umherschwirren.

Lea:
„Ok, geklingelt und jetzt noch 59 Sekunden…“
Lena:
„Hoffentlich geht jetzt nicht die Maschine an. Sonst wäre die ‚Stille Minute‘ ja plötzlich eine laute Minute und dann hätte sie keinen Sinn mehr. Hmm… Aber Gott sei Dank gibt’s dann schnell Essen!“
Julius:
„Verdammt! In zwei Stunden schon wieder Wache!“
Amelie:
„OK, ich bin auf einem Segelschiff mitten auf dem Atlantik und was weiß ich wie viele Meilen von Deutschland entfernt. Ich realisiere das irgendwie immer noch nicht. Was zuhause wohl gerade los ist?“
Raja:
„einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierundzwanzig…“
Korbinian (Koko):
„Warum schneidet Emilia denn so ne Grimasse? Fordert sie mich etwa zu einem Blickduell heraus? Ok, also kontere ich mit einer anderen Grimasse. Verdammt, ich muss lachen! Aber nicht während der stillen Minute! Außerdem darf ich nicht wegschauen. OK, neue Grimasse. Aber was für eine? Mir fällt nichts mehr ein. Hoffentlich ist die stille Minute bald vorbei, ich halte das nicht mehr lange aus. Ich muss lachen…“
Emilia:
„Ach ja, die stille Minute. Wie man sich doch daran gewöhnt hat…zu Hause wäre ich ja nie im Leben auf so eine Idee gekommen, naja mal sehen, vielleicht führe ich das auch am Essenstisch zu Hause in Berlin ein…Was guckt Koko mich so komisch an?! Oh man, schon wieder macht der solche Grimassen. Jetzt grinst er blöd. Ich verziehe meinen Mund und strecke ihm die Zunge raus. Jetzt guckt er noch blöder zurück. Am liebsten würde ich lachen. Reiß dich zusammen, Emilia! Alle anderen schaffen es schließlich auch, leise zu sein und mal abzuschalten…OK, außer Bene und Alena vielleicht…“
Lea:
„Oh Mist, geht die Zeit schnell vorbei, nur noch 30 Sekunden. Oder waren es doch noch 40?“
Linn:
„Wow, wie ruhig es auf einem Segelschiff auf einen Schlag werden kann. Langsam merke ich, wie ich zur Ruhe komme und realisiere, wie viel heute wieder los war. Und trotzdem hört man noch ein leises Knarren des Schiffes, das Rauschen des Meeres, ein leises Klirren, Kichern oder Scharren. Wie sie da alle sitzen. Manche haben die Augen geschlossen, andere beten und ein paar schneiden sich gegenseitig Grimassen und versuchen nicht laut loszuprusten. Das ist meine Thorfamilie! Wie es wohl zu Hause läuft? Was machen unsere Familien gerade? Bald sehen wir sie wieder. Die Zeit ist viel zu schnell vergangen. Ich will nicht, dass dieser Traum zu Ende geht! Über uns schwanken die Gebetsfahnen und unsere Ostereier leicht hin und her. Sie sind wirklich schön geworden!“
Alena:
„Ach, immer diese stille Minute, ich hab‘ Hunger. Ich spähe durch den Raum, rieche den Duft des Essens…Oh nein, Bene…ich wollte ihn doch dieses Mal nicht anschauen! Jetzt sieht er mich auch an. Verdammt, wie lange noch? 40 Sekunden, schaffe ich das? Komm schon, Alena, einmal wirst du es doch hinbekommen! Die Zeit vergeht im Schneckentempo… Wieder ertappe ich Bene, man sieht förmlich, wie er mit sich kämpft.“
Bene:
„Nicht lachen…nein, jetzt bloß nicht lachen. Nicht zu Alena gucken…noch 40 Sekunden. Verdammt!…ich muss grinsen…nein Bene, reiß dich zusammen!
Alena:
„Noch 10 Sekunden! Endspurt!“
Lea:
„Wie lange war es denn jetzt noch? Ach egal, ich klingel einfach in, ähm, fünf, vier, drei…“
Bene:
„Ich kann mich nicht mehr zurückhalten…drei Sekunden noch…aaaahh!“
Lea:
„…zwei, eins…uuuund jetzt!“

Pling!
Einige erwachen aus ihren tiefsinnigen Gedankengängen, andere prusten laut los und lachen. Und schließlich richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Essen, die Gespräche am Tisch beginnen sich zu entfalten. Die stille Minute, eine Thor-Tradition, die wir schon seit dem Probetörn vor jedem Essen ausüben. In ihr entstehen die unterschiedlichsten Gedanken, denn für jeden hat sie ihre eigene, individuelle Bedeutung. Schon etliche stille Minuten liegen hinter uns, nur noch wenige vor uns.

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