Datum: Montag, der 19.12.2016
Mittagsposition: Mitten im Manöver, keine Zeit für Position
Etmal: 5 sm
Wetter: Lufttemperatur: 28° C, Wassertemperatur: 27,5°C, Wind: ENE5
AutorIn: Teresa
Eigentlich habe ich so gut wie alles im Blick. Alles, was auf dem Schiff passiert, bekomme ich mit. Ich bin ja auch ein sehr wichtiger Teil davon. Aber bevor ich weiter erzähle, darf ich mich zuerst einmal vorstellen. Mein Name ist Boot. Rescue-Boot. Sicherstes und schnellstes Beiboot der Thor Heyerdahl.
19.12.2016 06:00
Das Licht in der Kombüse geht an. Vier verschlafene Menschen fangen an, das zu tun, was jeden Tag gemacht wird: Das Frühstück wird vorbereitet. Gott sei Dank haben sie heute gute Laune. Das liegt wahrscheinlich an der lauten Musik, zu der sie singen. Zur gleichen Zeit sammeln sich um die zehn andere Menschen an Deck. Sie tragen Sportklamotten und haben Badetücher unter ihrem Arm. Die erste Mission des Tages beginnt. Ich transportiere die Gruppe von unserem Ankerplatz zu einem Strand in Grenada. Dort steigen sie aus und machen einen, wie sie es nennen, Run and Dip. Nach einer Stunde geht’s wieder zurück zum Schiff.
19.12.2016 07:30
Inzwischen sind schon mehr Leute wach. Das Frühstück ist draußen angerichtet und die letzten Draußenschläfer packen ihre Hängematte, Isomatte oder ihren Schlafsack weg. Nur wenige Minuten später sitzen alle glücklich mit einem vollen Teller an einem der Tische.
19.12.2016 08:00
Ein Glöckchen ertönt. Ein paar Ansagen werden vom Kapitän Detlef gemacht. Jens, der Maschinist, der mir ab und an in den Außenborder geschaut hat, wird offiziell verabschiedet und ein Manöver wird durchgesprochen.
19.12.2016 Vormittag
Endlich wird sauber gemacht. Reinschiff auf allen Stationen. An Deck und auch hoffentlich in den Kammern wird alles seeklar gemacht. Zwischendrin verabschiedet sich der Maschinist von den einzelnen Personen und ich fahre ihn sicher an Land. Als ich wieder neben der Thor angelegt habe, werde ich von starken Schülern mit der Heiß- und der Beiholertalje an Deck geholt. Dort nehme ich wieder meinen üblichen Platz auf der Ladeluke ein. Ist auch besser so. Von hier habe ich nämlich einen viel besseren Überblick. Das Ankerspill wird vorbereitet und der Anker gelichtet. Gleich nehmen wir Fahrt auf und alle scheinen erleichtert.
19.12.2016 immer noch Vormittag
Kurz wird nochmals das Prinzip einer Wende erklärt, dann heißt es „Klar machen zur Wende!“.
Die komplette Besatzung rennt durcheinander (zumindest kommt mir das so vor) und alle Segel werden auf die andere Seite geholt. Ich merke, wie wir uns drehen. Geschafft!
Und dann? Die Menschen machen das Gleiche nochmal. Tja , so sind sie nun mal. Eigentlich hätten sie die beiden Wenden auch lassen können, oder nicht?
Ist ja auch egal, denn jetzt ist ein PoB-Manöver angekündigt. Was? Du weißt nicht, was das ist? Natürlich ein Person over Board-Manöver. Aber keine Sorge. Ich glaube, sie machen das nur zur Übung. Trotzdem sollen sich alle bemühen, das Ganze wie in einem Ernstfall zu behandeln. Erst ertönt der Generalalarm. Alle stellen sich in ihren Wachen und mit den Schwimmwesten auf dem Hauptdeck auf. Als durchgegeben wird, dass eine Person über Bord ist (wobei heute einfach ein Rettungsring anstatt einer Person im Wasser schwimmt), werden die nicht benötigten Westen in der Messe verstaut und der Rest erledigt zügig andere Aufgaben. Eine dieser Aufgaben ist unter anderem, mich, das Rescue-Boot, auszusetzen und so rase ich schon binnen weniger Sekunden in Richtung Rettungsring. Obwohl Elias, der Bootsmann, sehr gut in die Richtung steuert, die ihm von Eva, die sich im Rigg aufhält, gezeigt wird, verlieren wir uns in den hohen Wellen. Die Sicht wird uns durch einen heftigen Regenfall erschwert und wir können die Thor kaum noch durch die weiße Wand aus Tropfen sehen. Den Ring haben wir schon längst aus den Augen verloren. Als das Schiff wieder auftaucht, fahren wir wieder darauf zu. Und da schwimmt ja auch der orange leuchtende Rettungsring und die POB-Boje. Als er direkt neben mir ist, wird er als auch die POB-Boje von Carla aus dem Wasser herausgeholt. Ich beeile mich, schnell wieder zur Thor zurückzukommen. Wieder an Bord(1) ist das ganze Manöver auch schon zu Ende und der Besatzung wird die Zeit, die gebraucht wurde, mitgeteilt: 10 Minuten. Gar nicht schlecht. Zweite Mission erfolgreich beendet.
19.12.2016 Nachmittag
Der restliche Tag verläuft nach dem späten Mittagessen vergleichsweise ruhig. Ehrlich gesagt finde ich es recht langweilig. Das Wetter verbessert sich und der normale Wachbetrieb geht weiter. Menschen gehen ab und zu mal an mir vorbei, aber viel Aufmerksamkeit wird mir nicht mehr geschenkt. So liege ich wieder, mit Spanngurten gesichert, auf der Ladeluke, mein Blick fällt auf die karibische See und den Sonnenuntergang, den ich zwar jeden Tag sehe, der aber trotzdem immer wieder schön ist.
19.12.2016 Abend
Der Himmel ist schon fast vollständig dunkel, die Sterne tauchen auf und langsam werden alle müde. Die Backschaft bemüht sich, ganz schnell fertig zu werden, und die Musik wird immer lauter, damit das Bisschen Motivation, das noch vorhanden ist, erhalten bleibt. Auch ich bin müde, und die Welt um mich verschwimmt. Wenn ich so zurückschaue, dann gibt es viele, bei denen ich mich bedanken möchte. Zuerst mal bei mir. So ein Rescue-Boot wie mich gibt es ja nur einmal, und ich finde ich habe meine Sache heute gut gemacht. Dann bedanke ich mich bei der Wache, die sich vor allem bei den nächtlichen Sicherheitsronden versichert, dass ich es noch schön bequem auf meinem Plätzchen habe und zuletzt beim Maschinisten Jens. Eigentlich wollte er nämlich schon gestern von Bord gehen, aber irgendetwas am Generator hat nicht gestimmt, ich weiß zwar nicht genau was, aber das tut auch nichts zur Sache. Jedenfalls hat er nicht funktioniert und Jens hat seinen Aufenthalt um noch ein paar Stunden verlängert, um bis 00:30 Uhr des heutigen Tages den Generator zu reparieren.
Ich würde sagen, Mission erfolgreich abgeschlossen!!
(1) Kleine Anmerkung am Rande: Auch ein Rescue-Boot hat Gefühle. Bitte, bitte achtet immer darauf dass Fender an der Bordwand hängen, wenn ich auf dem Wasser liege und die Vor- beziehungsweise Achterleine nicht zu kurz ist. Ich kann euch sagen, so ein Schlag gegen die Bordwand ist gar nicht angenehm.