Tag 100

Schülerin Lisa Datum: Sonntag der 22.01.2017
Mittagsposition: 11°01,7’N ; 082°07,3’W
Etmal: 103 sm
Wetter: Lufttemperatur: 28,5°C Wassertemperatur: 29°C Wind: E2
Autorin: Lisa

Bloß nicht erschrecken, es folgen einige Zahlen:

Unsere Reise dauert sechs Monate, das sind 194 Tage, 4576 Stunden oder 274 560 unvergessliche Momente. Gegliedert ist die Reise in fünf Etappen, die längste Zeit auf See, die erste Atlantiküberquerung, hat 23 Tage gedauert. Wir befinden uns gerade mitten in der dritten Etappe, vor einigen Tagen war Halbzeit. Warum erwähne ich das alles? Heute ist ebenfalls ein besonderer Tag, der 100ste. Wenn er auch durch sonst nichts heraussticht und von niemandem an Bord bemerkt oder gar erwähnt wurde, finde ich doch, dass er ein wenig Aufmerksamkeit verdient. Immerhin, wir sind jetzt seit 100 Tagen weg von zu Hause, eine winzige Ewigkeit, die an mir vorbeigerauscht ist, gefüllt mit so vielen Erlebnissen, Begegnungen, Gesprächen, Gefühlen und Erfahrungen, dass sie mir unendlich lang vorkommt.

Hier an Bord bekommt man sowieso immer Schwindelanfälle, wenn man über Zahlen nachdenkt. Die Thor ist 50 Meter lang, der Atlantik etwa 3500 Seemeilen breit und 6000 Meter tief. Sechs Mal mussten wir schon unsere Uhren umstellen. In der Höhe pendelten wir zwischen 0 und 3718 Metern über dem Meeresspiegel.

Ich könnte noch unzählige solcher Beispiele anführen, doch das Ergebnis ist klar, die Entfernungen sind gewaltig, die Zahlen beinahe erschreckend. Aber kommen wir zurück zum 100sten Tag.
Ein kleiner, nichtssagender, ganz alltäglicher Tag auf der Thor, und er sagt doch schon etwas aus, oder? Nach 100 Tagen ist sie unser Zuhause geworden, der Rückzugort, das Beständige auf unserer Reise voller neuer Erfahrungen und Orten. Nach jedem Landaufenthalt voller Eindrücke kommt man zurück und kann seine Gedanken sortieren. In jedem neuen Hafen sieht man die drei beruhigenden Masten immer hinter sich. Längst meinen wir KuSis, wenn wir „Zuhause“ sagen, die Thor.

In den letzten 100 Tagen haben wir uns kennen gelernt. Wir nehmen es schon lange als gegeben, dass immer alle um einen sind, und es gibt kaum eine Erfahrung, die ich nicht sofort mit einem KuSi verbinde. Ich habe das Gefühl, ich würde alle schon ewig kennen, dabei sind es nur 100 Tage.

Seit 100 Tagen waren wir nicht mehr daheim, haben weder Eltern noch Freunde gesehen, wenig bis nichts von unseren Klassenkameraden gehört und konnten nicht in unseren eigenen Betten schlafen. 100 Tage, und doch habe ich kein Heimweh. Klar, man vermisst die Daheimgebliebenen, aber man will trotzdem um nichts in der Welt wo anders sein, als hier, auf der Thor.

Wofür ich in den 100 Tagen leider kaum Zeit hatte, war nachzudenken. Es waren 100 intensive Tage, und so habe ich beschlossen, mir diese Zeit heute zu nehmen. Ich frage mich, worüber ich in 100 Tagen nachdenken werde…

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