Epidemien auf der Thor

Schülerin Marie

von Marie

Zwar leben wir hier auf der Thor geordnet und wie zivilisierte Menschen, doch auch hier gibt es Fieber, Süchte und Wähne – mehr als sich der gemeine Leser vorstellen mag. In der folgenden Auflistung will ich Ihnen nun die gefährlichsten unserer Seuchen vorstellen.

Der Bermuda-Pulli-Wahn

Ein bislang noch kaum erforschtes und doch seit den Bermudas häufig aufgetretenes Phänomen ist definitiv der „Bermuda-Pulli-Wahn“. Schon im Laufe der Reise hat man hier und da leise Anzeichen erahnen können, wenn KuSis davon schwärmten, dass sie sich auf den Bermudas „unbedingt und unter allen Umständen“ einen Bermuda-Pulli kaufen würden. Die Quelle ist bislang noch unbekannt, doch es wird vermutet, dass der potenziell gefährlichste Ort, was die Ansteckungsgefahr betrifft, wohl der „Flying Colours“-Laden, Queenstreet 5, in der Hauptstadt der Bermudas, ist. Das Resultat kann man deutlich daran erkennen, dass gefühlt jeder nun dick eingemummelt in einem Bermuda-Pulli herumläuft. Art, Farbe, Größe und Aufschrift des Kleidungsstückes sind vom Träger abhängig – eine bunte Mischung ist garantiert.

Die Segeltuch-Sucht

Schon vor unserem Landaufenthalt auf den Bermudas machte sich hier und da ein Vorzeichen dieser seltenen Krankheit bemerkbar, angefangen bei David, der ein Tasche, und Yvonne, die unter anderem eine Handyhülle aus diesem kostbaren Gut schneiderte. Erstmals kamen die Schüler mit diesem gefährlichen Stoff in Berührung, als die Projektgruppe „Auftakeln“ mit Segeltuch arbeiten konnte. Da die Bearbeitung allerdings gar nicht so einfach ist, wie der Laie wohl glauben könnte, wurde nicht erwartet, dass diese Sucht so große Kreise ziehen könnte. Auch der Aspekt, dass sich an Bord nicht so viel bereitgestelltes Material findet, hat hoffen lassen, dass die Möglichkeiten einer Ausbreitung eingeschränkt sind. Doch hier zeigten sich die Suchtopfer erfinderisch, indem sie auf den Bermudas eine Segelwerkstatt besuchten und dort fragten, ob Reste von Segeln vorhanden seien, die nicht gebraucht werden würden. Sie hatten Erfolg, und nun vergeht kein Tag auf der Thor, an dem man nicht mindestens eine Gruppe KuSis sieht, die zum Beispiel versuchen kleine Täschchen oder Ordnungsmappen zu nähen. Das Resultat dieser sich schnell verbreitenden Sucht ist beispielsweise, dass unter Deck unsere Kreativität förmlich aufblüht, Elias sich fragt, wo denn die ganzen Segeltuchnadeln abgeblieben sind und dass ich diesen Blogbeitrag gerade in mein in Segeltuch eingebundenes Notizbuch schreibe.

Das Heißgetränke-Fieber

Egal, wo man hinsieht: Bei allen Tätigkeiten, sei es der Wache, dem Unterricht, dem Tagebuchschreiben, etc. – überall sind sie unsere ständigen Begleiter: Sei es Tee, Kaffee oder Trinkschokolade – ohne sie hätten wir kalte Hände und trockene Kehlen. Seinen Ursprung findet dieses Fieber in den Tagen nach Kuba, als man auf einmal nicht mehr mit kurzer Hose und Top, sondern eher mit Skiunterwäsche und Ölzeug an Deck gehen konnte. Der einzige Nachteil dieses Vorkommens ist, dass man viel öfter einen gestressten Backschaftler mit einer Kaffee- bzw. Heißwasserkanne die Messe durchqueren sieht.

Die Seekrankheit

Am Anfang der Reise wurde dieses Problem mit großem Respekt angesehen, da es damals noch weit verbreitet war. Die offiziellen Bezeichnungen der Betroffenen lauten auch liebevoll „Kotzis“ oder ebenfalls – weniger liebevoll – „Fischfütterer“. Nur ein paar wenige waren anfangs immun und wurden direkt beneidet. Später mutierten sie zu den offiziellen Krankenschwestern und wurden als „Helden der Nation“ angesehen. Zum jetzigen Zeitpunkt der Reise entschärft sich die Situation; die wenigen noch immer Betroffenen werden routinemäßig von allen versorgt und hoffen auf baldige Genesung.


Liebe Familie Wiest,

erst einmal wünsche ich euch alles, alles Gute zu den ganzen Geburtstagen – ich hoffe ihr hattet ein paar schöne Tage! Und dann, damit ich es nicht vergesse: Liebe Nicole, genieße mir ja schön deinen Geburtstag und lass dich feiern.

Ich denke an euch!
Eure Marie

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