Nordatlantik – Geschichten vs. Realität

Schülerin Louise

von Louise

Der Nordatlantik.

Schon vor Beginn dieser KUS–Reise sind mir bei dem Begriff „Nordatlantik“ Bilder durch den Kopf gezogen, die mich haben schaudern lassen. Meterhohe Wellen, Wind bis zum geht nicht mehr, Regen ohne Ende und Eiseskälte noch dazu. Oh, und natürlich haufenweise Seekranke, die bei Verschlusszustand Drei nicht an Deck dürfen. Ziemlich genau das habe ich mir unter dem Nordatlantik vorgestellt, einiges wurde auch in Erzählungen bestätigt. Deshalb habe ich mich schon beim Auslaufen von Kuba moralisch darauf eingestellt, bald mit mindestens zwei Lagen Skiunterwäsche und zwei Fleecepullis übereinander durch und übers Schiff zu laufen.

Wie kann es dann sein, dass ich, während ich diesen Blogbeitrag schreibe, mit Jogginghose und T-Shirt in der gut besetzten Messe sitze und keiner von uns seekrank ist?

Ja, eine gute Frage, denn irgendwie hat der Nordatlantik bisher noch nicht so ganz das gehalten, was uns prophezeit wurde.

Bisher hatten wir einmal Windstärken so um die 7 und ordentlich Regen, aber von Wellen, die über das Achterdeck brechen, haben wir noch nichts gesehen. Man wird im Ausguck lediglich ab und zu von etwas Gischt nass.

Auch die schon so gut wie angekündigte Sturmbesegelung hat gerade mal einen halben Tag durchgehalten, bevor sich nach und nach immer mehr Segel dazu gesellt haben. Heute haben wir es vollends mit der vorsichtigen Segelweise aufgegeben und sind mal eben mitten auf dem Nordatlantik unter Vollzeug gefahren, zwar bei „nur“ fünf Windstärken, dennoch mit zwischen zeitig stolzen … – Ja, und da kämen wir zum ersten Problem, die begeisterten abziehenden Wachen überschlugen sich in ihren Erzählungen, wie schnell sie gefahren seien, nämlich sehr, und zwischendurch hat man schon mal was von knappen zehn Knoten gehört, aber bleiben wir optimistisch–realistisch und gehen von guten acht Knoten als Durchschnittsgeschwindigkeit aus.

Was zwischendurch doch noch den Erzählungen ähnelt, ist der Seegang. Ab und zu trifft uns eine der hier an Bord inzwischen berühmt berüchtigten dreizehnten Wellen (laut Thor Heyerdahl ist jede dreizehnte Welle größer als die anderen, aber irgendwie spielt auch diese Angabe hier im Moment verrückt) und alles, was nicht seefest ist, fliegt durcheinander.

Alles, was nicht seefest ist, inkludiert Tassen, die auf die falschen Untersetzer gestellt wurden, Messer und Gabel, die nicht im perfekten Winkel am Teller lehnen, Gegenstände, die unbedacht auf Kojen geworfen wurden, generell alles, was in der Kombüse vorhanden ist (das Kochbesteck über dem Bräter, die Soße, die sich eigentlich IM Bräter befinden sollte, Gemüseteller, die schon fürs Abendessen vorbereitet waren, alles was im Kühlschrank ist, alle Mülleimer und Kisten,die auf dem Boden stehen, Töpfe in den Unterschränken, Kekse, die mal AUF dem Blech im Ofen waren, Schüler, die im Unterricht eigentlich AUF der Bank sitzen sollten, Lehrer, die sich versuchen, festzuhalten und Schüler, die ein Nickerchen machen wollen.

Ja, die dreizehnten Wellen können es in sich haben, auch wenn ihre Wirkung im Laufe der Zeit abgenommen hat. Gegen einen kleinen Sturm zwischendurch hätten wir fast alle nichts, aber der Nordatlantik ist noch nicht überwunden und wir wollen weder ihn noch Neptun zu sehr provozieren. Deshalb sollte ich vielleicht nicht noch weiter auf die Anomalien aufmerksam machen, nicht dass es uns dann schlimmer trifft, als erhofft oder erwartet.

Liebe Anna, ich wünsche Dir alles, alles Gute zu deinem Geburtstag! Ich denke oft an Dich und richte Theelke bitte auch alles Gute und liebe Grüße aus. Fühl‘ Dich ganz fest umarmt von Deiner kleinen Schwester.

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