Datum: Montag, der 30.10.2017
Mittagsposition: 48°13,1` N; 006°44,4` W
Etmal: 137 sm
Wetter: Lufttemperatur: 16°C, Wassertemperatur 15°C, Wind E 3-4
Autorin: Lea
Sterne, die über das endlose Himmelszelt huschen, ein unheimlich blau-leuchtendes Meer, ein immerwährendes Rattern, weiße Laken die im Wind flattern …
Die Nachtwache ist ein besonderes Erlebnis, mit ganz eigener Stimmung, wenn man nur nicht so müde wäre und den wunderbaren Gegebenheiten genug Aufmerksamkeit schenken könnte!
Folgt mir in meine Nachtwache und lest, wie schön, gruselig und besonders diese tägliche Pflicht ist.
Ein Schiff hält Kurs inmitten des unendlich reichenden Wassers, leicht schwankt es hin und her, es ist Nacht und das Wasser hat sich in eine schwarze Flüssigkeit verwandelt, die sich bis zum Horizont erstreckt. Man sieht noch alles auf dem Schiff, doch nur unscharf und in gräulichen Abstufungen. Ich wurde um halb 11 geweckt und sitze nun im Ausguck, den Schlaf noch in den Augen und würde mich am liebsten ins Bett verkriechen. Es ist viel ruhiger als sonst und auf einmal nimmt man Geräusche wahr, die zwar immer vorhanden sind, jedoch sonst im Lärm untergehen. Der Motor rattert (wir segeln zwar, doch wollen wir sich anbahnenden Westwinden entkommen), die Wellen gluckern und schwappen von Zeit zu Zeit über Deck. Sie sind um die zwei Meter hoch und wiegen das Schiff auf und ab. Leise rauscht der Wind über das Deck und lässt einige Tampen leicht hin und her schwingen, sie schlingern mit Wind und Wellen mit. Der Hauptmast knarzt unter dem tonnenschweren Gewicht der Segel, die der Wind füllt und uns so weiter Richtung Süden schiebt. Die grüne Steuerbord-Positionsleuchte lässt das Wasser grünlich schimmern, der Schein ist nachts unser ständiger Begleiter.
Wenn man an Deck an den Tampen arbeitet, dann sieht man etwas, das in diese Dunkelheit zu gehören scheint, bläulich leuchtende kleine Pünktchen werden vom dunklen Wasser an Bord gespült, es sind kleine Planktontierchen, die für das Meeresleuchten verantwortlich sind. Die Segeltücher schimmern weiß-gräulich in der Dunkelheit und flattern leicht im Wind. Wir haben alle Gaffelsegel und einige Klüversegel gesetzt.
Aus dem Schott an der Kombüse dringt warmes gelbliches Licht hervor und bescheint den Bereich vor dem Ausgang. Nach einem Meter verliert sich der Schein in der grauen Umgebung. Dafür haben wir andere natürliche Lichter, denn über uns leuchten in weiter Ferne die Sterne, der Anblick ist fantastisch, als Städterin ist mir solch ein Anblick leider selten vergönnt. Wer zur richtigen Zeit an den schwankenden Masten hoch gen Himmel blickt, sieht Sternschnuppen über den Himmel huschen, in einer Nachtwache können da sehr schöne Wünsche zusammen kommen. Auch der Mond lässt sich blicken, er steht als Halbmond am Horizont über dem Wasser und verschwindet hin und wieder hinter den Wolken. Ganz in der Ferne lässt er das Wasser silbrig glitzern.
Gestalten taumeln über das Deck, schlaftrunken wie ich, alle gleichen sich in ihrer Müdigkeit und Kleidung, da praktisch jeder im gleichen Ölzeug herum läuft und nur an besonderen Auffälligkeiten, wie der Stimme, erkannt werden kann.
Hin und wieder springt ein wendiger Schatten aus dem Wasser und taucht elegant wieder hinein, es sind Delfine, die uns nun schon seit längerem immer wieder besuchen. Viele von uns kommen von ihren Wachen zurück und berichten mit Begeisterung von ihren Begegnungen mit diesen tollen Tieren.
Die Nacht hat schon ihren ganz speziellen Zauber, der leider so häufig untergeht, doch ich hoffe, dass ihr nun unsere Nachtwache in Gedanken vor euch sehen könnt. Ich habe es übrigens irgendwie geschafft, jeglichem Delfin durch Arbeit am Steuer, in der Maschine, Schlafen oder unter Deck sein aus dem Weg zu gehen und werde allmählich damit aufgezogen, dass ich als gefühlt einzige noch keinen gesehen habe.
Gemeinsam in Wachen verteilt, schaffen wir es, das Schiff zu fahren und so geht es weiter und weiter Seite an Seite mit den Delfinen Richtung Süden.
PS: Nachdem ich diesen Blogbeitrag geschrieben hatte und an Deck gegangen bin, kam eine ganze Delfinschule vorbei und hat eine ganze Weile mit der Bugwelle gespielt.