Gedanken nach über einem Monat

Amelie

Datum: Dienstag, der 28.11.2017
Mittagsposition: 16°05.8‘ N; 024°33.5‘ W
Etmal: 101 sm
Wetter: Lufttemperatur: 27°C; Wassertemperatur: 26,5°C; Wind: NE3
Autorin: Amelie

Gestern noch in Afrika, heute wieder irgendwo im Nirgendwo und man merkt eigentlich gar nicht, wo man gerade ist. Der Alltag geht weiter, man wird geweckt, steht auf, geht zum Frühstück und je nachdem welcher Tag es ist, hat man Unterricht oder Wachtag.
Trotzdem sind die Tage ganz und gar nicht gleich und langweilig wird zumindest mir sehr selten. Viel Zeit zum Nachdenken hat man nicht, aber zum Beispiel habe ich mir heute im Ausguck nachts um halb drei Gedanken darüber gemacht, dass wir jetzt tatsächlich schon seit über einem Monat unterwegs sind. Das ist ja offensichtlich, wenn man sich das Datum heute und das von vor vier Wochen anschaut, aber hier hat man irgendwie kein Zeitgefühl mehr.
Seit dem Auslaufen am 22.10.17 haben wir mit unseren drei ungeplanten Zwischenstopps in Falmouth, Madeira und gestern in Sál schon so viel von der Welt gesehen wie viele andere in drei Jahren nicht, doch es dauert erst einmal, bis einem das bewusst wird. Vor allem sind wir einfach mal ganz kurz in eine völlig andere Welt eingetaucht und natürlich auch gleich wieder raus, da wir ja noch viel Wasser vor uns haben.
Auch in unserer Gemeinschaft an Bord hat sich in einem Monat natürlich einiges geändert. Für uns alle ist es selbstverständlich, mit den gleichen Leuten zusammen zu wohnen, zu essen, zu schlafen, in die Schule zu gehen, und man hat seine Freunde hier in der mehr oder weniger kurzen Zeit echt gut kennengelernt.
Gelernt haben wir hier bis jetzt auch schon viel, wenn man sich überlegt, dass der Großteil von uns KuSis am Anfang ohne irgendwelche Segelerfahrung angefangen hat und wir jetzt doch alle wenigstens schon ein bisschen Ahnung von unserem Schiff, dem Segeln etc. haben, auch wenn da im Vergleich zum Wissen unserer Wachführer wahrscheinlich noch sehr viel Luft nach oben ist.
Zudem haben wir uns sicherlich auch im Kochen verbessert und vor allem unsere Spülzeiten sind bestimmt um einige Minuten kürzer geworden. Heute gab es zum Beispiel auch die erste Schülerbackschaft, das heißt vier KUSis haben ohne ein Stammmitglied den ganzen Tag, also vier Mahlzeiten alleine gekocht, gespült, geputzt und alle anderen Aufgaben einer Backschaft erledigt. Vor allem das Geschnetzelte heute Abend war wirklich gut, das wäre vor ein paar Wochen vermutlich noch nicht ganz so gut gewesen.
Gerade jetzt auf der Atlantiküberquerung haben wir uns echt schon ziemlich in den Alltag eingelebt aber wie gesagt, so schnell wird einem hier nicht langweilig. Heute Nachmittag zum Beispiel, als alle zum Kaffeetrinken auf dem Hauptdeck saßen, kam plötzlich die Nachricht vom derzeitigen Rudergänger Bene, da seien viele, übergroße, grün schillernde Fische mit großen Köpfen. Jeder stürmte natürlich sofort an Deck, unterbrach alles, was er gerade machte und sah sich diese irgendwie lustigen mindestens 1,30 m großen Meeresbewohner an, sie waren ja schon beeindruckend und vor allem fast schneller als die Thor. Natürlich kommt beim Thema Fisch nach spätestens fünf Sekunden jemand auf die Idee: Angel, Kochen, Essen (man wusste, dass die Fische essbar sind).
Unser Bootsmann Nick warf also mit Marlene E. und Leon eine Angel aus, das heißt eine an einer Kurbel befestigte Schnur mit einem Köder, der aus einem zuvor vom Boden aufgefischten fliegenden Fisch bestand, als aber der Köder nur fünf Meter im Wasser schwamm, schnappte einer der großen blau schillernden Fische zu – große Euphorie – der Fisch wurde mitgezogen – noch größere Aufregung – aber dann schwamm der Fisch plötzlich alleine im Meer herum mit einem Angelhaken im Maul – neeiiin. Die Enttäuschung war vor allem bei Marlene E., aber eigentlich bei uns allen richtig groß, schlimmer hätte es ja auch nicht laufen können, der arme Fisch kann jetzt nicht mal mehr gegessen werden! Naja, mit einer etwas stabileren Angel-Konstruktion gibt es für die Zukunft vielleicht ja noch Hoffnung, zumindest beim Kapitän, der hätte sich wirklich seehr über den Fisch gefreut.
Ja, so passiert eben immer irgendetwas Neues und versüßt einem den Tag. Manchmal sehnt man sich aber jetzt so nach über einem Monat schon mal nach Hause zurück und zumindest ich vermisse Freunde und Familie schon manchmal.

An dieser Stelle will ich der lieben Oma auch noch schöne Grüße senden und ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren! Ich hoffe du hast mal „gescheit relaxt“ und den Tag genossen und ich freu mich schon, zu telefonieren! Deine Amelie

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