Silvester auf See

Lea

Datum: Sonntag, der 31.12.2017
Mittagsposition: 10° 58,8‘ N, 076° 08,0‘ W
Etmal: 154 sm
Wetter: Lufttemperatur: 29°C, Wassertemperatur: 28°C, Wind: NE 5-6
Autorin: Lea

Rudergedanken: Ich stehe am Ruder und hänge meinen Gedanken nach. Die anderen sind gerade an den Segeln beschäftigt und ich bin mehr oder weniger alleine auf dem Achterdeck. Die Vormittagssonne strahlt mir auf den Rücken und ist angenehm warm. Meine Gedanken schweifen ab. Heute ist Silvester, doch wir rauschen hier im Sonnenlicht durch das Wasser. Das Jahr ist fast vergangen doch uns bleibt noch Zeit zusammen. Jetzt fahren wir gerade mit Rückenwind und geblähten Segeln auf nach Panama und auf ins neue Jahr.
Noch außer Sichtweite liegt das, was wir erleben werden, noch ist das was kommt ungewiss. So wie bei euch zu Hause das neue Jahr auch neue Begebenheiten mit sich bringen wird, werden wir sehr, sehr viel Neues erleben. So wie zum Beispiel die gesamte Silvesterfeier, die sich hier bei uns doch sehr von der zu Hause unterschied.

Bis zum Nachmittag war der Tag normal (wir hatten sogar Unterricht und einen Test!), doch dann begannen die letzten Vorbereitungen auf den Abend und der Gedanke, dass ein neues Jahr eingeleitet wird, wurde dann doch realistischer. So standen wir um halb sieben alle gemeinsam auf dem Achterdeck mit einem Drink in der Hand und hörten verschiedene kulturelle Beiträge: Ruth und Detlef hielten eine kurze Ansprache, dann spielten Hanna und Vicky zwei Lieder auf dem Saxophon, zum Schluss lasen Vera und Hanna eine Geschichte zum Nachdenken vor. Moderiert wurde der Abend von Kai.

Um 19 Uhr Bordzeit, also Mitternacht in Deutschland, stießen wir das erste Mal auf das neue Jahr an. Und während bei uns die Sonne unterging und die Gläser klirrten, waren die Gedanken von vielen von uns zu Hause bei der Familie, wo mit ziemlicher Sicherheit gerade ein Feuerwerk in den Nachthimmel stieg und sich der vertraute Ablauf von Silvester vollzog.
Nachdem wir das neue Jahr nach deutscher Zeit begrüßt hatten, wurde jedoch bei uns erst einmal gut gegessen. Es gab Braten mit Semmelknödeln und Bohnen, beziehungsweise für die Vegetarier statt Fleisch ein leckeres Käsesoufflee. Das Abendessen war dann echt schön. Es konnten zwar leider nicht alle gleichzeitig unten in der Messe sein, da immer noch jemand fahren musste, doch war es trotzdem ein seltener Anblick, wie wir alle fast vollzählig zusammen saßen. Ich fand es richtig schön die belebte Messe zu sehen, das unverständliche Gemurmel von glücklichen Gesprächen und immer wieder ein lautes Lachen.
Als es zum Nachtisch Eis gab, waren auch meine Gedanken zu Hause und ich fragte mich, welche Eissorte wohl heute bei uns gegessen wurde. Abgerundet wurde das Essen in der Messe mit einer Geschichte von Elena.
Mittlerweile war es bei uns Nacht geworden, die Sterne funkelten über uns und es sammelten sich begeisterte Quizspieler auf dem Hauptdeck. Henni und Ferdi hatten sich das für uns ausgedacht und wir spielten in verschiedenen Gruppen gegeneinander und hatten sehr viel Spaß. Die Fragen betrafen zum Beispiel Inselnamen, an denen wir vorbei gekommen waren, die Höhe der Messebilge und auch die Länge von Thor-Klopapier. Die Stimmung dabei war ausgelassen und wer dabei war, machte begeistert mit. Das Siegerteam bekam einige Süßigkeiten, teilte die jedoch großzügig mit allen anderen.

Langsam zerstreute sich die Runde und einige halfen noch der Backschaft oder gingen in die Messe zum Werwolf spielen.
Die Zeit bis Mitternacht verstrich wie im Flug und schließlich wurde der Beamer aufgebaut. Und was taten wir wohl? Der Filmklassiker „Dinner for One“ wurde zusammen angesehen und belacht. Danach mussten wir uns beeilen, um rechtzeitig auf dem Achterdeck zu sein. Und auf einmal ging die Zeit schnell um. Erneut stießen wir an, diesmal wirklich um Mitternacht. Mitternacht! Ein neues Jahr!
Macht das jetzt einen großen Unterschied? Vielleicht von der Zeit nicht wirklich, doch es lässt uns innehalten, zurückblicken und vorausschauen. Reflektieren was geschehen ist und vielleicht neue Vorsätze fassen. Ich habe auf jeden Fall einen: Ich will die ganzen Leute hier nach KUS wiedersehen und sie besuchen kommen. Wir hatten vorher noch jeder einen Wunsch für eine andere Person aufgeschrieben, der von Vicky in kleine Fischchen eingebacken wurde (so wie chinesische Glückskekse). Die haben wir dann als Mitternachtssnack zu uns genommen und uns über die netten Worte gefreut. Feuerwerk und Seefahrt vertragen sich zum Feiern nicht so gut, also blieb es „nur“ bei Wunderkerzen, die jedoch, wenn man nichts anderes zum Zündeln hat, zu etwas Besonderem werden. Ich halte sie über die Reling und genieße den Moment, beobachte die Funkensterne und freue mich über das, was noch kommen wird.

Auf und ab, das Schiff bewegt sich in den Wellen und wir bewegen uns mit ihm. Das Meer des Lebens mag turbulent sein und wir sind ihm ausgesetzt. Doch wir halten dem Stand, lassen nicht zu, dass wir sonst wo hin gespült werden. Zum Beispiel am Ruder, an dem zu jeder Tages- und jeder Nachtzeit jemand steht, wird das gemeinsame Werk zu dem wir alle beitragen erst so richtig sichtbar. Wir alle ergänzen uns, indem wir Wache gehen, putzen, in der Kombüse arbeiten, wie in einem Uhrwerk. Und so ist jede Ankunft eine Art Sieg. Eine Errungenschaft der Gemeinsamkeit.
Meine Gedanken schweifen weiter und ich genieße den Wind. Er durchweht mich und lässt mich wahre Freiheit spüren.

Ein frohes neues Jahr! Wir sind wunderbar ins neue Jahr gekommen und hatten eine tolle, wenn auch andere Silvesterfeier. Nun wünschen wir euch noch ganz viel Rückenwind, Sonnenschein und immer jemanden in der Nähe zum Reden. Kurzum einen kleinen Teil von dem, was unser Leben hier so unvergleichlich macht.

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