Die guten und die schlechten Tage auf der Thor

Mathilda

Wir alle kennen die Tage, an denen uns alles schwer erscheint. Diese Tage hat jeder, und wenn sie auftauchen, können sie einen ganz schön runterziehen. Auf der Thor ist das nicht anders. Es gibt nur den Unterschied, dass wir auf engstem Raum und ohne wirklichen Rückzugsort zusammenleben.

Es kann passieren, dass an einem Tag alles schief läuft, und die Motivation schwindet. Und dann ist auch noch Montag, und das nächste Sonntagsfrühstück scheint Jahre entfernt. Da kann man schon echt schlecht gelaunt sein. Zu wenig Schlaf und der Seegang, der vielen von uns trotz der langen Eingewöhnungszeit immer noch ziemlich zusetzt, tun ihr Übriges.

Und wenn du dann in deiner Koje liegst, und so gar keine Lust auf deine nächste Nachtwache hast, und dann auch noch nicht einschlafen kannst, weil deine Kammermitbewohner lautstark darüber diskutieren, ob es das oder die Nutella heißt, dann fangen deine Gedanken an zu schweifen, weit weg von der Thor zieht es sie zu einem Ort, den wir zu Hause nennen. Ich denke an die vielen entspannten Samstage, an denen ich ausschlafen konnte und dass ich jeden Morgen Kakao trinken konnte so viel ich wollte, und der nicht mit Wasser gemacht wurde. Und ich erinnere mich daran wie es war, nach der Schule nach Hause zu kommen und einfach mein ganzes Schulzeug von mir zu schmeißen und nicht weiter über den Unterricht und seine Lästigkeiten nachdenken zu müssen.

Dann wünsche ich mir, jetzt zu Hause zu sein, in meinem Bett zu liegen und nicht nachzählen zu müssen wie viele Stunden Schlaf bis zur Nachtwache ich bekomme, wenn ich genau jetzt einschlafe.

Wenn mich diese negative Nachdenklichkeit ergreift, dann lasse ich mich viel zu schnell von ihr beeinflussen. Ich denke daran, was ich jetzt gerne zu Hause tun würde, anstatt wertzuschätzen was ich hier vor mir habe. Oft weiß ich dann nicht, was ich dagegen tun soll.

Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Ich muss nur all die Dinge sehen, die das Leben hier so einzigartig machen, nicht zuletzt die Menschen, mit denen ich unterwegs bin. Ich mache mir klar, was für ein Geschenk diese Reise ist. Ich mache mir klar, dass ich, wenn ich jetzt zu Hause in meinem Bett liegen würde, zwar nicht meine Schlafstunden zählen würde, dafür aber verzweifelt wünschen würde, in meinem immer gleichen Alltag mal etwas Abwechslung zu verspüren, um der Eintönigkeit zu entkommen.

Und es gibt ja auch die vielen überwiegend guten Tage an Bord. Wenn man morgens schon einen wunderschönen Sonnenaufgang erlebt, oder einen Besuch der eleganten Meeresbewohner, den Delfinen, beobachtet, kann ein Tag nur gut werden. Und auch wenn nicht Donnerstag oder Sonntag ist, schmeckt das Frühstück, denn es ist ja eigentlich nicht so wichtig was man isst, sondern welche Gesellschaft man dabei hat. Und auch das Nachtwachegehen kann unheimlich viel Spaß machen, wenn man am Ruder gemeinsam singt oder jeden, der im Ausguck an einem vorbeigeht zwingt, einen Witz zu erzählen. Nein, natürlich nicht zwingen, aber freundlich darum bitten.

Es gibt also gute und schlechte Tage hier, wie bei jedem anderen Menschen auch. Es kann sein, dass man die Ausmaße von schlechter Laune auf einem Schiff mehr zu spüren bekommt, aber dafür verbreitet sich auch gute Laune schnell unter den Leuten, und das sogar wesentlich schneller. Diese Reise ist ein großartiges Abenteuer, bei dem wir alle unser Bestes geben, mit vielen Hochs und Tiefs, wie die Thor auf ihrem Weg durch aufgewühlte Wellenberge, mit Kurs auf Kuba.

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