Ich bin eine Koje!

Paul

Hallo. Darf ich mich vorstellen? Ich bin die Koje an Steuerbord oben in Kammer 4 des Segelschiffes Thor Heyerdahl. Ich hatte auf der bisherigen Reise schon die/den ein oder andere/n Bewohner/in, aber zur Zeit für die Etappe Kuba bis Azoren bewohnt mich der junge und gut aussehende Paul.

Die Kammer 4 bewohnen außer Paul auch noch der muskulöse Malte in der oberen Backbord Koje, der wunderbare Thomas direkt darunter und unter mir und Paul schläft der entspannte Cajo. In letzter Zeit schläft Cajo ziemlich viel.

Aber kommen wir wieder auf mich zu sprechen. Was bin ich eigentlich wirklich? Eine Koje. Für alle die, die sich mich nicht ganz vorstellen können, hier eine kleine Erklärung: Ich bin sehr vielfältig. Es gibt mich hier an Bord in den verschiedensten Ausführungen. Von der einfachen 200×70 cm Koje, wie ich eine bin, über die etwas kleineren Kojen mit etwa 180×70 cm in den quer liegenden Ausführungen, die dreistöckigen Kojen, wie sie im Vorschiff im PK (Personalkammer) vorzufinden sind, bis hin zur Königsklasse. Von dieser exzellenten Sorte gibt es nur zwei Stück: Backbord und Steuerbord achtern (im hinteren Teil des Schiffes). Steuerbord achtern bewohnt Detlef meistens zusammen mit Ruth die Kammer. Backbord achtern wohnen zur Zeit Martin und Niklas.

Aber zu einer Koje wie ich eine bin und den zahlreichen anderen zählen nicht nur eine Matratze, ein Matratzenschoner, eine warme Wolldecke und ein weiches Kissen, sondern auch die umragenden, schützenden und magnetischen Wände, die sich hervorragend zum Aufhängen von Hängeregalen und Bildern eignen. Viele Besatzungsmitglieder nutzen diese wunderbare magnetische Funktion und behängen mich und meine Artgenossen mit sämtlichen Gegenständen. So auch Paul. Er ließ mich bis vor ein paar Tagen nach dem Auslaufen in der Marina Hemingway leer ausgehen, bis er gestern dann endlich Bilder von seiner Familie und Freunden aufhing. Ich glaube, seitdem er wieder zu jeder Zeit, wenn er die Kammer 4 betritt, die Bilder seiner Lieben zu Hause ansehen kann, geht es ihm besser. Eine Koje bietet also zu jeder Zeit eine kuschelige und angenehme Atmosphäre.

Kommen wir jetzt auf meine Freunde, die anderen Kojen z.B. in Kammer 1 zu sprechen. Die Kammer 1 ist schon seit Beginn der Reise immer eine Jungskammer gewesen. Sie können sich sicherlich das Aroma eines relativ kleinen Raumes vorstellen, in dem Nacht für Nacht sechs pubertierende Jungen nächtigen. Nein, können Sie nicht! Es ist schlimmer als Sie vermuten. Sagen wir, dieser Geruch überschreitet jegliche Vorstellungskraft einer intakten Nase. Ich will nun gar nicht zu sehr ausschweifen, bevor Ihnen noch schlecht wird, während Sie das hier lesen. Im Moment bewohnen die Kammer 1 Felix, Kai, Michi, Georg, Benno und Carl.

Eine für uns Kojen fast tödliche Methode der Erschaffung einer Privatsphäre wird leider vereinzelt auf unserem Schiff praktiziert. Den Kusis, die das hier lesen, soll gesagt sein, dass ein Mensch zum Überleben Sauerstoff am Tag, aber vor allem auch in der Nacht beim Schlafen benötigt. In vereinzelten Kojen hier an Bord hängen Menschen vor ihre Koje eine dicke Wolldecke oder ein großes Handtuch. Wir Kojen diskutieren schon seit Beginn dieses Abschirmungstrends fieberhaft darüber, was das jetzt denn bringen soll, sind aber bisher auf keine schlüssige Lösung des Problems gekommen. Möglicherweise dienen diese selbst gebauten Vorhänge als Sichtschutz oder Lärmschutz oder sonst was…

Fest steht, dass die notwendige Sauerstoffzufuhr in der Nacht, während der Bewohner der betroffenen Koje tiefenentspannt atmet, nicht genug gewährleistet ist. Nacht für Nacht müssen wir Kojen so die Ausdünstungen pubertierender Jungendlicher ertragen und das wird selbst für uns mit der Zeit ein ernstzunehmendes Problemchen.

Aber trotz alledem soll gesagt sein, dass uns Kojen nichts mehr am Herzen liegt als unseren Bewohner/innen ein kleines Stück Zuhause zu bieten, in dem sie hervorragend schlafen und sich zurückziehen können und morgens ohne Sorgen und vor allem ohne Rückenschmerzen aufwachen.

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