Eine Thor für die Kommode

Titus

Datum: 08.03.19
Mittagsposition: 33° 31,9`N; 056° 38,2`W
Etmal: 133 sm
Wetter: Lufttemperatur: 18 °C, Wassertemperatur: 19 °C, Wind: NNE 5
Autor: Titus

Ob auf Groß oder Klein: Segelschiffe üben generationenübergreifend eine Faszination aus. Dabei spielt es keine Rolle, wie groß oder klein die Schiffe sind. Nicht jeder kommt während seines Lebens in den Genuss, ein halbes Jahr auf einem Traditionssegler zu verbringen, doch Flaschenschiffe sind die Lösung, um Träume von Freiheit auf dem Ozean, Action im Sturm und reinem Sternenhimmel zusätzlich zu beflügeln und zumindest materiell „greifbar“ zu machen. Es klingt nach einem unmöglichen Prozess, der aber einigen gelingt: Der Flair, den dieses Transportmittel besitzt, wird komprimiert und in Form eines um ein Vielfaches verkleinerten Abbildes in den besten Freund des Seemanns, eine (Rum-)Flasche gepackt.

Auch hier, auf der Thor, wird seit Teneriffa fleißig in der Last gewerkelt. Vor allem in den Abendstunden, vor dem Zubettgehen, fand man dort mit 99 % Wahrscheinlichkeit anderthalb Maschinisten, wie sie an kleinen Mästchen, Rähchen und Schiffsrümpfchen schnitzten: Willi und Friedrich, der dieses Amt im Zeitraum der letzten Schiffsübergabe zusammen mit Matthias übernahm. Willi und das „Buddelschiffbauen“ gehören schon fast zu einer richtigen KUS-Reise dazu.

Auf seiner mittlerweile siebten Reise kamen auf magische Weise schon viele Schiffchen durch die doch so engen Flaschenhälse (oder vielleicht auf anderem Wege) in die Flaschenbäuche. Jedes Jahr weckt er mit diesem außergewöhnlichen Zeitvertreib Interesse bei den Kusis. Es gibt immer manche, die diese Kunst gerne erlernen möchten: dieses Jahr ist es Friedrich.

Mit dem ersten Flaschenschiff dieser Reise sorgte Willi beim Wichteln zu Weihnachten für den absoluten Jackpot. Über das Geschenk, in dem so viel Mühe und Zeit steckt, freute und freut sich Lucie. Wenn die Thor wieder fern ist, bleibt ihr eine Thor für die Kommode.

Friedrichs Langzeitprojekt, unterbrochen durch Landaufenthalte und kleine Motivationstiefs, hatte kurz vor den Bermudas seinen großen Tag. Erfolgreich in die Flasche gepackt und versiegelt, ruht es nun in seiner Kammer. Doch in absehbarer Zeit wird diese handgemachte Erinnerung in Momenten des bereits auf Panama und Kuba kennengelernten „Thorwehs“ Friedrichs Rettung sein: eine Thor für die Kommode.

Doch wie entstehen diese Schiffe eigentlich? Im folgenden exklusive Fragen an den Schüler und den Meister:

Was braucht man denn alles, um ein „Buddelschiff“ zu bauen?

Friedrich: Holz, Faden, Flasche, Fensterkitt und Ölfarbe für das Meer, Cutter, Nadeleinfädler, feine Bohrer, selbstgebautes Werkzeug, um in der Flasche zu hantieren, Spaß am Basteln und Durchhaltevermögen.

Willi: Fantasie und Vorstellungskraft, um das Endergebnis vor Augen zu haben, sind auch sehr wichtig.

Willi, wo hast du diese Art von Schiffbau erlernt?

Willi: Zu meiner Seefahrtszeit gab es einen alten Matrosen an Bord, der Buddelschiffe gebaut hat, doch damals war ich noch jung und hatte keine Geduld. Auf einer meiner KUS-Reisen hat mich eine Schülerin gefragt, ob wir zusammen ein Buddelschiff bauen wollen. Wir hatten beide keine Ahnung, haben es aber ganz gut hinbekommen.

Wie lange braucht ihr, vom Stück Holz bis zum Schiff in der Flasche?

Friedrich: Ich hab von Teneriffa bis Bermuda gebraucht. Man berücksichtige Unterbrechungen wie Landaufenthalte.

Willi: Ungefähr 40 Stunden mit dem Vorbereiten der Flasche.

Willi, wie viele Flaschenschiffe hast du schon in deinem Leben gebaut?

Willi: Unbekannte Zahl, die werden nicht gezählt.

Gibt es viele Schüler, denen du deine Freizeitbeschäftigung schon beigebracht hast, Willi?

Willi: Jedes Jahr gibt es einige, hauptsächlich Mädchen. Viele geben aber im Laufe der Reise auf. Am Ende ist es immer nur eine, die fertig wird. Friedrich ist der erste Junge, der nicht aufgegeben hat.

Nehmt ihr die Thor als Vorbild für eure Flaschenschiffe?

Friedrich: Das war eigentlich zuerst mein Plan, doch dann hat es sich anders ergeben.

Willi: Nein, es ist ein Handelsschiff, dass manchmal doch Rahen bekommt. Die Thor zu bauen, wegen zum Beispiel dem Deckshaus, würde schwierig werden. Schließlich sollte man sie am Ende auch wiedererkennen.

Wie bei seinen vorherigen Reisen bleibt es bei Willi nicht bei einem Werk. Es sind schon wieder einige Flaschen präpariert worden und warten auf ihren Inhalt. Ein Rumpf ist schon fast fertig, bei einem fehlen die Masten, bei dem anderen das Rigg.

Ich habe bewusst nicht erzählt, wie das Schiff letztendlich in die Flasche gelangt. In Zeiten der sekundenschnellen Informationsbeschaffung lässt sich dies nebenbei ganz einfach googeln, doch hier an Bord gibt es noch genug Unwissende. Wer hier auf der Thor erfahren möchte, wie es funktioniert, sollte Willi in der Last doch noch bis zu den Azoren etwas Gesellschaft leisten und ihm über die Schulter schauen.

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