Besonderheiten des Unterrichts auf der Thor

Emma

Datum: 12.12.2019
Mittagsposition: 13° 40,7‘ N 051° 01,2‘W
Etmal: 149,9 sm
Wetter: Lufttemperatur: 28° C, Wassertemperatur: 27°C, Wind: ESE 4
Autorin: Emma

Anders.

So könnte man den Unterricht hier im Gegensatz zu Zuhause ziemlich gut beschreiben. Einmal muss man sich öfters mal fast schon anschreien, damit die Anderen was bei dem Rauschen des Wassers über das Deck verstehen können. Wobei man bei dem Seegang auch noch darauf achten muss, nicht von der Bank zu kippen, da die wiederum ja auch mit umkippen würde, also heißt das für uns: „Reitersitz bitte“. Das heißt einfach, dass man mit je einem Bein auf einer Bankseite sitzen muss, damit man sich abfangen kann, wenn das Schiff rollt, also für kurze Zeit verstärkt schwankt. Das dadurch übers Deck schießende Wasser erzeugt noch ein ganz anderes Problem, das neigt nämlich dazu, von unseren Füßen oder die der Bänke so hoch zu spritzen, dass unsere Hose nass wird. Der Seegang erschwert auch generell das Mitschreiben, weil man immer darauf aufpassen muss, dass einem die Sachen nicht vom Tisch rutschen und komplett durchnässt werden. Was sich dabei echt bewährt hat, war nicht mit Füller mitzuschreiben, sonst kann man dann so ziemlich den ganzen Hefteintrag neu schreiben.

Was den Unterricht hier aber auch richtig cool macht, ist dass die Lehrer sich echt viele Experimente überlegen, so wie Wasserbomben vom Mast schmeißen für die Berechnung der Beschleunigung, und man viel mehr mit ihnen zusammenarbeitet und diskutiert. Sie sind ja auch nicht nur unsere Lehrer, sondern auch unsere Freunde. Außerdem kann es auch gut sein, dass der Unterricht mal unterbrochen wird. Sei es denn, dass etwas an den Segeln gemacht werden muss, Delfine und manchmal sogar Wale vorbeikommen oder wir gerade einen Fisch gefangen haben. Der Unterricht ist allgemein viel familiärer als Zuhause, wir haben ja auch schließlich Unterricht in unserem Zuhause.

Schulaufgaben sind auch nochmal was ganz anderes, heute zum Beispiel haben wir die Deutsch-Klausur geschrieben, alle Schüler unten in der Messe, bei fast dreißig Grad Lufttemperatur, kurz gesagt einer Sauna. Selbst der Belüftungsschlauch, den wir über den Niedergang runtergelegt hatten half so gut wie nichts. Und dass Theresa mit einem Ventilator herumlief, war nur eine kurze Erleichterung, immerhin teilte sie noch gekühltes Wasser aus, danke liebe Deutschlehrerin. Unten in der Messe war es jedoch wahrscheinlich sogar noch besser als oben, dort wäre es anzunehmen gewesen, dass mindestens eines unserer Blätter wegfliegen würde oder wir alle fünf Minuten das Schreiben unterbrechen müssten, weil das Schiff rollte oder ein Regenschauer über uns hinweg brechen hätte können. Dafür hörte man jede Minute irgendwo ein Aufstöhnen wegen Überhitzung.

In ein paar Tagen wird dann auch die erste Schiffsübergabe stattfinden, in der der Stamm für eineinhalb Tage all seine Aufgaben Schülern überträgt und nur im Notfall eingreift. Damit der Stamm uns Schülern diese Aufgaben auch übertragen kann, haben sie uns Stellenanzeigen ausgeschrieben, auf die wir uns bewerben können. Natürlich müssen wir uns auch noch so absprechen, dass alle Stellen besetzt werden können. Die geforderten Plätze sind: ein Kapitän, zwei Steuerleute, ein Proviantmeister, ein Bootsmann, ein Maschinist, vier Wachführer, vier Wachführer­assistenten und zwei Projektleiter.

Abgabeschluss für unsere Bewerbungen ist auf den Samstag, den 14.12 gesetzt worden, also sah man schon an einigen Stellen die Leute an ihrer Bewerbung rumbasteln. Diese Bewerbung besteht aus einem handschriftlichen DinA4 Blatt, auf dem man schreiben sollte, warum man natürlich der beste Bewerber für den Job wäre und wieso man das überhaupt machen will. Nur das so richtig auf das Papier zu bringen, vor allem konzentriert genug, nicht allzu viel Rechtschreib- und Grammatikfehler einzubauen, das klappte bei vielen allerdings nicht ganz so gut. Dann musste man, wenn man es auch schön machen will, das Ganze halt dann insgesamt drei Mal erneut abschreiben. Sowas kann man aber auch sehr gut bei unseren typischen abendlichen Werwolfrunden tun.

Für die Schiffsübergabe selbst sieht man auch immer öfter die KUSis mit den Stammleuten, von denen sie gerne den Job übernehmen wollen, besprechen, was genau zu ihren Aufgabenfeldern gehört oder was man nochmal machen muss, wenn man beispielsweise den Schoner bei einer Halse umbaumen muss. Es wäre ja unpraktisch, wenn wir das nicht könnten und dann genau dieses Manöver auf einmal anleiten müssten.

Aber letztlich hat doch jeder seine Bewerbung fristgerecht abgegeben und jetzt müssen wir nur noch abwarten, wer welche Position erhalten wird.

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