Was bei uns gerade los ist

Mona

Datum: 18.03.2020
Mittagsposition: 35° 37,9’ N, 050° 06,5‘ W
Etmal: 62sm
Wetter: Lufttemperatur: 17° C; Wassertemperatur: 19°C; Wind: ENE 4
Autorin: Mona

„Wahrschau, darf ich mal bitte in meine Kammer?“

Ein Satz, den man gerade mehrmals am Tag von den Bewohnern der achterlichen Kammern 7, 8, 9 und 10 im Mittschiff hört.

Der Grund hierfür sind die täglich neuen Nachrichten und Emails aus Deutschland, die ausgedruckt an der Wand im Gang hängen und somit direkt vor diesen Kammern. Auch die Backschaft hat deswegen mittags ihre liebe Not, sich ihren Weg in die Messe und durch die Menschenansammlungen vor den vielen Seiten an Informationen zu bahnen.

Seit Sonntag drehen sich auch hier an Bord viele Gespräche um die Situation zu Hause und die Ungewissheit, wie es in Deutschland und bei euch, unseren Familien aussieht, beschäftigt uns.

Auch der Fakt, dass wir nicht wie geplant unseren Landaufenthalt auf den Azoren abhalten können, stimmt den ein oder anderen traurig, da hier noch viele Dinge angestanden wären, auf die wir uns seit Beginn der Reise riesig gefreut haben.

Ein Gedanke, der mich ständig begleitet, ist, dass jetzt wir diejenigen sind, die in ihrer eigenen kleinen Welt leben und dort sicher sind. Keiner von uns war in einem Corona-Risikogebiet oder hatte Kontakt zu einer infizierten Person.

Eigentlich befinden wir uns seit fünf Monaten in unserer eigenen Welt, auf der Thor, aber nie war mir das so bewusst wie jetzt. Die Heimreise, die unweigerlich schon angebrochen ist, wäre schon für alle schwer genug geworden, da wir hier ein zweites Zuhause und viele Freunde gefunden haben.

Aber dadurch, dass wir nicht, wie wir uns vorher ausgemalt hatten, einfach in unsere Heimat zurück kehren und nach und nach wieder dieses Leben annehmen, sondern auch in Deutschland, und nicht nur dort, sondern überall auf der Welt gerade eine Ausnahmesituation herrscht, können wir uns gar nicht mehr vorstellen, wie es sein wird. Alles hört und fühlt sich so unwirklich an.

Es kommen die verrücktesten Ideen und Annahmen zu Tage und jeder meint etwas anderes zu erwarten. Viele machen sich Sorgen und die Stimmung ist zeitweise gedrückt, da wir außer diesen täglichen Zeilen von Ruth und den Artikeln, die sie mitschickt, nichts wissen und uns nur ausmalen können, wie es ist.

Trotzdem schaffen wir es, den Bordalltag mit der richtigen Mischung aus Ernsthaftigkeit, Humor, Anstrengung und Entspannung am Leben zu halten und uns unsere Welt selber zu gestalten.

Zum einen haben wir da unsere schon langsam alt eingesessene Siedler-von-Catan Gruppe, die abends bis spät in die Nacht einen Tisch in der Messe belegt und bis zum Umfallen am Spielen ist. Auch die Bibliothek ist sehr gut besucht, entweder zum Schnacken oder zum Lesen. Sehr oft trifft man hier auch fleißige Schüler, die bis um zwölf noch versuchen sich den Kopf mit den letzten chemischen Formeln vollzustopfen und unseren Chemielehrer Michael bei jeder Sicherheitsronde, die er in seiner Wache geht, aufhalten und mit den entscheidenden Fragen löchern.

Aber nicht nur bei den achterlichen Kammern trifft man häufig auf große Gruppen, auch bei den Kammern 1 und 2 auf dem Weg zur Last und im Sanitärbereich muss man sich des Öfteren ziemlich schmal machen. Der Grund hierfür sorgt aber regelmäßig für allgemeine Erheiterung und Lachanfälle. Einige KUSis haben es sich zur Aufgabe gemacht ein Abschlussbuch zu gestalten und dafür hängen im Gang jeden zweiten Tag fünf neue Steckbriefe aus, die alle anderen für eine Person ausfüllen. Es ist äußerst amüsant zu erfahren, was manche an unnötigen Gepäckstücken dabeihaben, oder dies zumindest angenommen wird. Auch die Zukunftsaussichten, die sich für die anderen ausgedacht werden, bringen jeden Vorbeilaufenden zum Schmunzeln.

Vor der Kombüse im Sanitärbereich ist ebenfalls unsere Mithilfe gefragt, wenn es um Fragen fürs Ranking, die No Gos auf der Thor und die Tophits in der Kombüse geht. Somit lässt sich die Wartezeit, bis endlich wieder eine Toilette frei ist, gut überbrücken.

Das bloße Durchlesen dieser Zettel bereitet einem Freude, wenn man sieht, wie viele kreative Köpfe hier am Werk sind.
Auch unsere Backschaften laufen gemeinsam mit unseren Proviant­meisterinnen Vanessa und Theresa auf Hochtouren und zaubern uns trotz viel Seegang und ungünstigen Bedingungen in der Kombüse jeden Tag leckere Mahlzeiten.

Auch wenn man leise durchs Schiff läuft, hört man irgendwo immer jemand lachen oder sieht strahlende Gesichter. Egal wie schwierig die Situation für alle ist, wir verlieren unseren Thorgeist nicht und genießen unsere Reise und nehmen jeden Tag so wie er kommt. Jeder unterstützt und hilft wo er kann und eigentlich ist alles wie immer, nur doch ganz anders.

P.S.: Jetzt noch ein ganzer Schwall an Geburtstagsglückwünschen:

Liebe Tante Nadine und lieber Onkel Steven, liebe Tante Evi und lieber Onkel Steffan, ich wünsche Euch allen von Herzen alles Liebe und Gute und hoffe, dass ihr jeweils Euren Tag in vollen Zügen genießen konntet!

Lieber Papa, ich wünsche Dir zu Deinem Geburtstag nur das Beste! Bleib so wie Du bist! Ich denke ganz fest an Dich! Hab Dich lieb!

Menu