Logbuch vom 19. 3. 2020

Detlef SoitzekMartin

Es ist Donnerstag, der 19. März 2020. Um 17 Uhr Bordzeit (19 Uhr UT) stehen wir auf der Position 35°35’N und 047°23’W; bei Wind aus NNE mit 6 Bft laufen wir mit Stützsegeln und Maschine einen Kurs von 095 über Grund und erreichen dabei ca. 5 kn Fahrt. Alle an Bord sind wohlauf.

Seit gestern bewegen wir uns wieder merklich vorwärts. Zuvor kam der Wind aus ENE mit gleicher Stärke, so dass wir wirklich auf unserer Position „standen“. Den Wachen wurde empfohlen, unsere Position in der Seekarte bzw. dem Plottingsheet nur noch alle drei Stunden zu markieren, weil sich die Position innerhalb des normalen Stundenrhythmus kaum änderte. Mit ähnlichen Bedingungen rechnen wir auch für die kommenden beiden Tage und hoffen auf eine bessere Entwicklung nach dem Wochenende.

Schulisch kommen wir deutlich schneller voran: heute wurde mit der zweiten Gruppe auch der Chemietest geschrieben; Moa hielt in dieser Woche ihr Referat über Kartographie und Finn einen Vortrag über die Windrush Generation. Damit wird auf die Nachfahren von karibischen Einwanderern in England Bezug genommen, die 1948 mit dem Schiff Empire Windrush von Jamaica und Havanna über Bermuda nach England reisten – und damit auf derselben Route unterwegs waren wie wir gerade. Neben der Schule laufen auch die Praktika weiter.

Wir werden aus Deutschland und von den Azoren über die jeweilige Lage mit Blick auf den Coronavirus regelmäßig informiert. Der Kontrast zwischen der dort beschriebenen Lage und dem normalen, routinierten, geregelten Bordalltag verleiht den Nachrichten etwas Irreales. Das Schiff scheint in diesen Tagen wie ein ruhiger Punkt in einer aus den Fugen geratenen Welt – allerdings ein „ruhiger“ Punkt, der dabei stampft und heftig rollt. Aber für diese Art von Unruhe ist ein Schiff ja gebaut.

Bis nach Horta sind es noch 920 sm.

Dr. Martin Goerke, Projektleitung an Bord, und Detlef Soitzek, Kapitän

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