Es ist Donnerstag, der 26. März 2020. Um 16 Uhr Bordzeit (17 Uhr UTC) stehen wir auf der Position 38°08‘ N und 034°42’W. Der Wind kommt mit 5 Bft endlich aus südwestlichen Richtungen und zieht uns mit 5.5 kn Fahrt auf unserem rechtweisenden Kurs von 080° in Richtung Horta. Bis dorthin sind es noch 290 sm, und planmäßig hätten wir dort heute einlaufen sollen. Aber was läuft schon gerade planmäßig?
Planmäßig läuft zum Beispiel, dass alle an Bord gesund und wohlauf sind (und es ist der 15. Tag der „Quarantäne“). Dank des abnehmenden Seegangs sind auch die chronisch von der Seekrankheit Geplagten aktiv bei allem dabei und können auch das Essen genießen. Planmäßig läuft auch, dass wir heute mit dem letzten reinen Unterrichtstag das schulische Programm für diese Etappe erfolgreich abschließen; morgen folgen noch der Mathetest und am Samstag die mündlichen Spanischprüfungen. Und planmäßig laufen auch die Praktika an Bord, wobei heute vor allem die Bootsmannspraktikanten Elive und Moa gut sichtbar arbeiteten und einen (nicht planmäßigen) Riss in der Breitfock nähten. Morgen früh werden wir voraussichtlich eine geplante Halse fahren, wenn uns die angekündigte Kaltfront überholt.
Daneben sind wir dabei, weitere Pläne für die nächste Etappe zu machen. Die Schüler überlegen sich, wie sie sich die Wachzusammensetzung und die Kammerbelegung für die nächste Etappe vorstellen, und entsprechende Überlegungen gibt es selbstverständlich auch in der Stammbesatzung. Die üblichen Pläne – Ankerwachplan, Backschaftsplan, Praktikumsplan und mehr – sind in Vorbereitung, und natürlich müssen in unsere Zeitpläne auch die ausstehenden Vorträge und Referate eingebaut werden. Diesel und Proviant für Horta sind bestellt und sollen uns an die Pier geliefert werden, damit wir das Schiff möglichst ohne direkten Kontakt mit den Ortsansässigen ausrüsten können, bevor wir wieder vor Anker gehen und von da dann später auslaufen.
Kurz und gut: das Leben an Bord geht von außen betrachtet den gleichen Gang wie sonst. Der normale Alltag – hier auf der Thor Heyerdahl gibt es ihn noch. Von innen betrachtet merken wir natürlich die ungewöhnliche Stimmung, die der Azorenstopp bewirkt: zum ersten Mal werden wir einen lange vorbereiteten Landaufenthalt nicht einmal ansatzweise umsetzen können, sondern dürfen keinen Fuß auf die Insel setzen, vor der wir ankern werden. Und aller Voraussicht nach wird es uns später in England ähnlich gehen. Passend zur Passionszeit erfahren wir damit unsere „sieben Wochen ohne“ Landaufenthalt, wenn wir zwischen Bermuda und Kiel wirklich nirgendwo an Land dürfen, und genau danach sieht es gerade aus. Aber wen würde es überraschen, wenn das anders käme als heute planbar?
Bis Horta jedenfalls sind es noch 290 sm. Soviel ist sicher.
Dr. Martin Goerke, Projektleitung an Bord, und Detlef Soitzek, Kapitän