Sensing something…

Julia

Datum: 26.03.2020
Mittagsposition: 38° 02,4′ N; 035° 03,8′ W
Etmal: 128 sm
Wetter: Lufttemperatur: 17° C, Wassertemperatur: 17,5°C, Wind: SW 4-5
Autorin: Julia

Sensing something…

Ein lautes, grelles Kreischen, wenn jemand von einem der 5m hohen, sich aufbäumenden Wellenberge getroffen wird, ein erleichtertes Ausatmen nach Beenden der Chemieklausur, ein genervter Ruf aus der Backschaft, wenn ein weiteres Glas von der Anti-Rutschdecke katapultiert wird und auf dem Kombüsenboden zerschellt. Das typische Vibrations- und Geräuschemuster unserer Maschine, lautes Jubeln und Klatschen der Seemänner und -frauen, wenn ein kultureller Beitrag erneut den Vorherigen überragt, einige Melodien, die aus dem Zwischenboden erklingen, wenn sich der ein oder andere doch mal zum Üben aufmacht.

Ein mürrischer Blick am Ruder, wenn die Regentropfen ins Gesicht klatschen und somit jegliche Sicht verhindern, ein grinsendes Gesicht bei jedem Lächeln, das wir uns gegenseitig schenken, konzentrierte Ausdrücke während dem Kampf um den Sieg bei „Siedler“, ein momentan sehr beliebtes Strategiespiel auf der Thor. Werkelnde Personen im Rigg und an Deck, wenn Manöver gefahren werden oder Böen einfallen und alle Spitzen schnellst möglichst geborgen werden müssen, Wachen, die sich ausgiebig unterhalten und über verschiedenste Themen diskutieren und gestikulieren, zwischendurch mit lautem Auflachen verbunden.

Ein sich überall verbreitender Duft nach gutem Essen, wenn die Backschaft trotz Wellengang Meisterwerke am Bräter/Herd zaubert, eine Brise Meer, die im Ausguck über die Wachgänger hinübergeht, ein penetranter Geruch nach Abfluss, wenn Reinschiff Sanitär fleißig Glocken säubert. Der markante Duft nach Diesel, wenn das Ankerspill in Aktion tritt, die Fährte nach frischen Broten in der Last und der Kombüse, wenn für die Mannschaft erneut gebacken wurde, ein Nase rümpfender KUSi, wenn die ausgelaufene Cola und die verschollenen Kartoffeln in der Bilge in der Trockenlast wiederentdeckt werden.

Ein salziger Geschmack, während des Manövers, wenn die Welle vorne auf der Back einige Menschen unfreiwillig duscht, eine schokoladige Bereicherung in Form von heißem Kakao oder Tafelschokolade, wenn einige KUSis ihre langersehnten Vorräte aufbrauchen, ein geschmacklicher Höhepunkt, wenn zum Kaffee und Kuchen Leckereien aufgetischt werden. Das prickelnde Etwas, was die Limette in unserem Osmose Wasser in uns auslöst, die bittere Note, die der frisch gebrühte Kaffee morgens auf der Zunge hinterlässt, wenn einige probieren, ihr Schlafdefizit mit dieser Maßnahme zu bekämpfen.

Eine wohlige Hitze, welche von der Tasse Tee ausgeht, die viele der Thor Heyerdahl Crew in den Händen halten, ein kühler Windstoß, der einige während der Nachtwache frösteln lässt, angenehme Wärme, wenn wir uns gegenseitig in den Armen halten.

Es gibt auf dem Atlantik kein zurück. Wir können keinen Situationen entkommen, uns bleibt nur eine Möglichkeit: Sich damit auseinandersetzen und Schwierigkeiten klären, man braucht ein großes Durchhaltevermögen. Was wir hören, sehen, riechen, schmecken und fühlen – das alles löst sie aus: die Linien gezeichnet in unser Gesicht, entstanden durch Konflikte mit der Natur und untereinander. Wir müssen in gewisser Weise mit uns klar kommen um andere akzeptieren. Wenn ihr uns wiedersehen werdet, liebe Eltern, werden wir immer noch dieselben sein?

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