Logbuch vom 9.4.2020

Detlef SoitzekMartin

Am heutigen Donnerstag, den 9. April 2020, stehen wir um 17 Uhr Bordzeit (=UTC) auf der Position 47°06’N und 012°35’W. Seit Tagen treibt die Maschine die Thor Heyerdahl mit 5,5 kn Fahrt auf rwK 055° in Richtung Westeingang des Englischen Kanals; draußen ist es trübe, nieselt immer wieder, und der Wind kommt mit ESE 4 schräg von vorn.
Und allen an Bord geht es gut.

Dieser letzte Satz kommt uns Woche für Woche bemerkenswerter vor. Das Leben auf der Thor Heyerdahl steht eben nicht unter dem Einfluss der Nachrichten vom Festland, oder nur sehr bedingt – wir nehmen sie natürlich zur Kenntnis, wir müssen ebenso selbstverständlich unsere Landkontakte daran anpassen, wir machen uns Gedanken über die Ankunft.

Aber unseren Alltag prägt Corona nicht. Unseren Alltag prägen Praktika, Arbeitsgruppen, Zeugniskonferenzen, Referate, Stamm- und Schülerversammlungen. Unser Alltag umfasst den heutigen Seemannssonntag, einen Gottesdienst zum Gründonnerstag, und gestern einen herausragenden Geburtstagskuchen und einen Geburtstagskaffee für Theresa. Wir freuen uns auf die kommenden Ostertage, auf einmal Ausschlafen in der Bucht von Falmouth, wo wir aber nicht vor Ostern ankommen können, auf die Schiffsübergabe, und nicht einmal der Nieselregen überschattet die gute Stimmung an Bord.

Und allen an Bord geht es gut.

KUS ist auf den Spuren der großen Entdecker unterwegs. Bisher dachten wir dabei in erster Linie an Kolumbus, Humboldt und unseren Namensgeber Thor Heyerdahl, wir ahnen aber inzwischen, dass wir Odysseus in die Reihe mit aufnehmen können. Wie bei ihm erschweren widrige Winde unser Voran- und Heimkommen, auch wenn sie uns nicht zu neuen Inseln und Ufern führen, eher im Gegenteil – wir müssen immer wieder neu überlegen, wo wir überhaupt kurz festmachen und bunkern können. Wahrscheinlich hatte sich auch während der langen Odyssee so etwas wie ein normaler Alltag an Bord eingestellt, und wie bei Odysseus wird sich unser Ithaka (egal, ob es in Kiel oder München liegt) stärker verändert haben, als wir uns derzeit vorstellen können, egal wie viele Nachrichten wir lesen.

Allen an Bord geht es gut. Und es sind nur noch 352 Seemeilen bis Falmouth.

Dr. Martin Goerke, Projektleitung an Bord, und Detlef Soitzek, Kapitän

Während des kurzen Aufenthaltes in Falmouth wollen die Schüler*innen mehrheitlich auf die Benutzung der Handys verzichten.

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