Panic! on the Thor – but what for?

Miriam

Datum: 11.12.2019
Mittagsposition: 13°21,5‘ N 048°55,3‘ W
Etmal: 142 sm
Wetter: Lufttemperatur 28°C, Wassertemperatur 27°C, Wind ENE 5
Autorin: Miriam

Dieser Tag begann wie ein ganz normaler Schiffsschultag, mit leckerem Frühstück unter Segeln und anschließendem Unterricht. Bio, Geschichte, eine Doppelstunde Spanisch für die Neuanfänger, in der Mittagspause eine Stunde Spanisch für die Fortgeschrittenen, Geographie. Und dann ging es los: Doppelstunde Deutsch – und einigen wurde trotz langer Ankündigung im Voraus da erst so richtig klar, dass … wir in knapp 20 STUNDEN unsere Deutschklausur schreiben werden – und damit sind nicht Unterrichtsstunden gemeint!!! Der armen Deutschlehrerin Theresa, die uns jetzt den genauen Aufbau einer Charakterisierung erklärte (also genau die Art Aufsatz, die wir am folgenden Tag über unsere Lektüre „Das Haus der Treppen“ von William Sleator schreiben dürfen), wurden von 34 verzweifelten KUSis unzählige Löcher in den Bauch gefragt. Diese Fragen, die teilweise sehr starke Schiffsbewegung, die rauschenden Wellen, von denen die eine oder andere auch aufs Deck klatschte und so manchen Aufschrei verursachte sowie ständig nasse Füße machten es Theresa nicht gerade einfach, den Unterricht geordnet weiterzuführen.

Nach der Unterbrechung durch die Kaffeepause wurden noch weitere Probleme entdeckt: einige hatten sich mit Kugelschreiber Notizen in ihre Bücher gemacht, welche aber während der Klausur nicht erlaubt sind, und es musste gelost werden, welche Unterrichtsgruppe an Deck und welche unten in der Messe schreiben wird. „Diejenigen, die nicht oben oder unten schreiben wollen, sollen sich halt einfach einen Tauschpartner suchen!“, hieß es, doch leider stellte sich das als nicht ganz so einfach heraus. (Und letztendlich schrieben wir dann wegen Regen eh alle in der Messe…)

In der Schiffsversammlung, die ganze fünf Minuten nach Unterrichtsende stattfand, erzählte uns der Kapitän Detlef, dass wir in 720 Seemeilen Palm Island erreichen werden, und die Stimmung hob sich gleich um ein ganzes Stück. Als noch verkündet wurde, dass wir mit dieser Strecke mit einer Geschwindigkeit von sechs Knoten bereits früher als gedacht ankommen werden und somit unsere ursprünglichen drei Tage Riffferien trotz des ungeplanten Kapverdenaufenthalts um nur einen Tag verkürzt werden müssen, waren sogar vereinzelte Jubelschreie zu hören. Zudem war das heute wegen eines Windstoßes gerissene Leesegel bereits wieder geflickt worden, sodass wir es wieder setzen konnten und gerade mit 6,2 Knoten dahinflogen. Trotzdem hatten wir noch keine Zeit für Entspannung, sondern durften in der Messe die bisher kürzeste Schülerversammlung erleben, bei der wir 15 Minuten warten mussten, bis alle da waren, und anschließend nur 15 Minuten lang die Schiffsübergabe besprechen mussten!

Danach verließ nur noch die Fahrwache und die Backschaft die Messe, der Rest bewaffnete sich mit Markern und dem „Haus der Treppen“ und markierte fleißig bis panisch die Textstellen, die für die Charakterisierung der Figuren wichtig sind. Es war totenstill, keiner redete, nur das Schleifen der Stifte auf den Buchseiten war zu hören. Gelegentlich schlüpfte jemandem ein „wie zur Hölle sollen wir das morgen schaffen“, „ich versteh einfach nicht, wie das geht“ und „AAAAAAAH!“ heraus und sorgte für allgemeines Aufstöhnen.

Zwischenzeitlich wurde auch gemunkelt, dass bald Böeneinfall wäre und alles seefest sein muss, was die Spannung nicht gerade verringert hat. Als dann die Essensglocke herumging, wurde mit resigniert dreinblickenden Gesichtern das Deutschzeug weggeräumt und Spinatnudeln beziehungsweise Butterspaghetti mit Salz bei einem weiteren wunderschönen Sonnenuntergang hinter Wolken genossen. Doch auch nach dem Abendessen kehrte noch keine Ruhe in die Messe ein, es wurde über die verschiedensten Figuren diskutiert, und erst spätabends zogen sich die fleißigen KUSis in ihre Kojen oder Schlafsäcke zurück und träumten von den traumhaften Inseln, die wir bald nach unserer Atlantiküberquerung unter Segeln erreichen werden – ganz egal, ob jetzt morgen eine Deutschklausur anstand oder nicht!

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