Datum: Mittwoch, der 22.04.2015
Mittagsposition: 53° 52,8′ N; 007° 28,0′ W, Elbe, Deutschland
Etmal: 128,2 sm
Wetter: Lufttemperatur: 8,5° C, Wassertemperatur: 8°C, Wind: NNW5
Autorin: Charlotte
Irgendwie versteh‘ ich die Welt nicht mehr! Seit Tagen rennen hier nur noch Schüler raus und rein und wollen mir hundert Karten aus den Schubladen klauen. Wenn sie nicht gerade an den Karten arbeiten, studieren sie dicke Bücher über die Tidezeiten oder sie diskutieren, wie und wo die allseits bekannten Kollisionsverhütungsregeln gelten…. – Ups, vor lauter Chaos und Rätseln in meinem Kopf, was sich hier gerade abspielt, habe ich ganz vergessen mich vorzustellen.
Also, dann mach ich das am besten jetzt sofort. Mein Name ist „Navi“ und ich glaube, ich gehöre neben den Toiletten zu den meist besuchten Örtlichkeiten in unserem Zuhause, der „Thor Heyerdahl“. Meiner Meinung nach bin ich aber auch wichtiger als alles andere. In mir befindet sich das Wichtigste, was es auf einem Schiff geben kann. Ich bin die Heimat des Radars, AIS, vieler vieler Seekarten, Brückenbücher, Logbücher, Wetterbücher, Alarme, der elektronischen Seekarte, des Computers, des Satellitentelefons, Echolot, GPS, Navtex, der UKW-Geräte und noch viel viel mehr als ihr euch je vorstellen könnt! Wie ihr vielleicht hört, bin ich sehr bedeutend, aber bitte, das soll sich jetzt auch nicht eingebildet anhören!
Normalerweise halten sich bei mir hauptsächlich die Steuerleute, der Kapitän, die Projektleitung, die Wachführer auf und ganz oft (zu jeder vollen und halben Stunde) huschen ein paar Schüler rein und raus, um Wetterdaten und Positionen einzutragen. Aber während der vergangenen Woche war alles ein bisschen anders. Fast nur noch Schüler leisteten mir Gesellschaft und drei Herren waren meine Stammgäste. Dass alles etwas anders war, gab es doch schon zweimal auf der Reise…
Jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass auch in der vergangenen Woche wieder eine sogenannte Schiffsübergabe stattfand. Wie schon erwähnt, waren drei Herren meine Stammgäste. Lorenz war nicht nur mein Gast, sondern hatte die gesamte Woche als Kapitän die Macht über mich und unser Zuhause und die Steuermänner Paul und Milan standen ihm dabei tatkräftig zur Seite. Sarah und Katha haben mir auch öfter mal Gesellschaft geleistet und haben fleißig Listen aufgehängt. Wie ich in den Logbüchern gesehen habe, wurde die „Thor Heyerdahl“ nun nicht mehr von den erwachsenen Wachführern geführt, sondern von unseren Schülerwachführern Paula, Tobi, Berny und Fine mit ihren Copis Johannes, Luca, Charlotte und Elli. Während der gesamten Woche habe ich ein paar Schüler vermisst, die mich wohl nicht mehr besuchen konnten, weil sie genug um die Ohren hatten. Darunter war zum Beispiel Daniela, unsere Maschinistin, unsere Proviantmeister Ronja, Samu und Ina und unsere Bootsfrau, Steffi, die bei mir aber einmal eine Schublade repariert hat.
Die Schiffsübergabe startete mit dem Auslaufen aus Falmouth, das unsere neue Schiffsleitung auch schon selber in die Hand nahm. Das Schwierige an dieser Schiffsübergabe war nicht, wie bei der zweiten, das Astronomische Navigieren, sondern der viele Verkehr, der uns bis Brunsbüttel begleiten würde. Meine elektronische Seekarte glich nahezu einem Wimmelbild und wie ich gesehen habe, war es nicht ganz einfach gegen den Strom und Wind anzukämpfen. Zwischenzeitlich mussten wir ja auch Halt machen und Ankern, aber das war die beste Entscheidung, die unsere Schülerschiffsleitung treffen konnte.
Insgesamt muss ich sagen, dass es nie richtig stressig wurde, alle alles richtig gut im Griff hatten und wir mit nur zwei Stunden Verspätung in Brunsbüttel ankamen, was wir uns zwischenzeitlich nicht zu träumen wagten! Bis bald!