Datum: Sonntag, der 10.04.2016
Mittagsposition: Falmouth, England
Etmal: 0 sm
Wetter: Lufttemperatur: 9,5° C, Wassertemperatur: 10°C, Wind: ESE9
Autorin: Marlena
(Man stelle sich den Titel bitte mit der Melodie von „Wir lagen vor Madagaskar“ vor)
Beinahe hätte ich gedacht, es wäre ein ganz normaler Sonntag geworden. Kein Reinschiff, keine Freiarbeit, bis auf die Hafenwache keine Verpflichtungen. Aber natürlich lief mal wieder alles anders als geplant, denn nach sechs Monaten auf der Thor, wo Spontanität definitiv eine Fähigkeit ist, die du dir mit der Zeit aneignest, hätte es mich auch gewundert. Eigentlich war für den Tag ein Besuch im Seefahrermuseum von Falmouth und Landgang geplant, aber aufgrund des heftigen Wetters, welches letzte Nacht eine Dinghileine reißen ließ und unsere großen, dicken Festmacherleinen durch die konstante Reibung aufzuscheuern begannen, mussten wir die Dinghis an Bord holen. Somit bestand keine Chance, an Land zu kommen und ein „gemütlicher Sonntag“ stand uns bevor, wie Ruth es so schön sagte. Die meisten fragten sich jedoch: Was fangen wir mit dieser normalerweise nicht vorhandenen freien Zeit an, wenn wir uns nicht mal von Bord bewegen können?
Möglichkeit 1: Singen
„Awaaaaaay you rioooooo“ – Nicht nur dieses Lied ertönte lautstark aus der Messe. Die Projektegruppe Seemannsgarn und die Thorwürmer, die für ihr Endprodukt eine CD aufnehmen wollten, probten fleißig und nahmen viele bekannte Lieder wie Spanish Lady oder Strike The Bell auf. Jeder, der auch in der Messe saß, um sich anderweitig zu beschäftigten, konnte entweder mitsingen oder stülpte sich Mickey-Mäuse, die riesigen Schalldämpfer, welche wir, von Willi gezwungen, zum Gehörschutz in der Maschine oder im Generatorenraum tragen müssen, über die Ohren. Viel anderes blieb einem nicht übrig, denn die musikalischen Klänge erfüllten das ganze Schiff.
Möglichkeit 2: Produktiv sein
Wer hätte das gedacht? Viele nutzten den freien Tag, um endlich etwas von ihrem persönlichen Stapel an Arbeit abzuarbeiten, zu dem man auf See einfach nicht kommt. Die Mitglieder der Öffentlichkeitsarbeit saßen (einige mit Mickey-Mäusen, andere ohne) in der Messe, tippten und korrigierten Texte, die Teil des persönlichen Fotobuches werden sollten, das nach der Reise über KUS 15/16 erscheint. Auch die Kulinarische Weltreise arbeitete an ihrem Kochbuch weiter und das Fotoprojekt hatte sich in der Bib getroffen, um mal wieder über die bevorstehende Etappe zu reden, welche natürlich wie immer auch in Bildern festgehalten werden sollte. Sieh an, sieh an – wirklich alle Projektgruppen gaben nochmal Vollgas!
Möglichkeit 3: Wache gehen
Die meisten hatten keine Wahl, denn zur Sicherheit der Thor mussten wir nun mit vier Personen und einem Stammmitglied, statt zu zweit, bibbernd in der Kälte auf dem Achterdeck stehen. Die Leinen wollten dauerhaft kontrolliert werden, damit sie nicht wieder scheuerten und auch sonst sorgte Windstärke 9 dafür, dass noch mehr auf die Kleinigkeiten geachtet wurde. Allen Beteiltigten bot sich ein Bildspektakel: Der Wind fegte mit einem unglaublichen Tempo über das Meer, dass einem teilweise schon etwas mulmig wurde, ob wir nicht gleich mitfegten. Beim Anblick dieses Wetters war ich wirklich sehr froh, dass wir schon in der Bucht von Falmouth lagen, denn mit diesem Sturm draußen auf See zu kämpfen, wäre bestimmt ein nicht allzu großer Spaß geworden.
Möglichkeit 4: Filme schauen
Sonst nur Samstagabend erlaubt, hatten wir eine Sondergenehmigung und starteten nach dem Kaffee einen wahren Filmmarathon. Auf eine Dokumentation in Schwarz-Weiß über die Peking, eines der berühmtesten, alten Segelschiffe, folgte ein Zeitraffer-Video über den Zusammenbau unserer Hauptmaschine im Oktober. Letzteres versetzte mich gedanklich an den Anfang der Reise zurück, als ich die Bilder unserer Probefahrt wieder sah. Für mich erscheint es so weit weg und doch, als wäre es erst gestern gewesen. Wie verging die Zeit so schnell? Nach dem Abendessen hatten die KUSis die Qual der Wahl. Ein großer Filmabend bei dem mehrere Filme parallel liefen, stand bevor. „Inception“ lief in der Messe, „Herr der Ringe“ wurde in Kammer 2 geschaut und „Fluch der Karibik“ startete etwas verspätet mit Backschaft und abziehender Hafenwache in Kammer 1. Ausgestattet mit mexikanischen Nachos, Salzstangen, Chips und Gummibärchen ließen wir uns verzaubern und in andere Welten tragen.
Thomas äußerte einen Satz, der den Tag ganz gut beschrieb: „Es war eigentlich kein komplett fauler Tag, alle haben irgendetwas gemacht, nur ganz entspannt eben.“
Liebe Micky, ich wünsche dir alles, alles Gute zum Geburtstag und hoffe, du hast dir einen genauso schönen und gemütlichen Tag gemacht, wie wir auf der Thor, Hugs and Kisses from England, Marlena