Datum: Montag, der 05.12.2016
Mittagsposition: 14° 40,4′ N; 058° 50,2′ W
Etmal: 95 sm
Wetter: Lufttemperatur: 32° C, Wassertemperatur: 29°C, Wind: E/NE4
AutorIn: Janna
Der Tag begann für mich früher als geplant. Ich wachte um kurz vor 8 Uhr von lauten Rufen auf, die durch das geöffnete Oberlicht meiner Kammer schallten: „Klarmachen zum Setzen des Mittelklüvers! Schoten, Fall und Niederholer besetzen und klar melden“. Es war eine noch ziemlich junge Stimme, deren Ruf ich da vernahm. Einen Moment war ich verwirrt, doch da fiel es mir wieder ein: Es war der erste komplette Tag, an dem wir Schüler das Schiff, vom Kapitän bis zum Maschinisten, übernommen hatten. Ich drehte mich noch einmal auf die andere Seite und schlief beruhigt weiter, mit der Gewissheit, dass die anderen, die gerade Wache gingen, ihren „neuen“ Job sicher gut machen würden. Die am Vortag für 8 Uhr angesetzte Halse war nämlich zur Entlastung der Nachtwachen auf 10 Uhr verschoben worden. So konnte ich glücklicherweise doch noch eine Stunde vor der Halse frühstücken und wusste da noch nicht, dass unsere erste Halse letztendlich länger dauern sollte als gedacht.
Um 10 Uhr ertönte dann das Signal K (All-Hands-on-deck). Alle kamen an Deck zusammen und stellten sich wachweise auf. Nachdem die Wachführer der neuen Kapitänin Cosima die Vollständigkeit ihrer Wachen gemeldet hatten, erklärte diese uns noch einmal das geplante Manöver. Danach ging es dann los mit den Vorbereitungen. Zuerst sollten alle Segel mitschiffs geholt werden und die Rahen vierkant gebrasst werden (d.h. rechtwinklig zum Mast stehen). Doch das gestaltete sich schwieriger als gedacht, da es plötzlich scheinbaren Personalmangel an allen Stationen gab. Die Wachführer wollten alle ihren Anteil an der Halse perfekt erledigen und liehen sich Leute von anderen Wachen, die dann am Ende selbst Hilfe brauchten. Auch die Kommunikation war sehr schwierig, da die Wachführer und ihre Copis zunächst noch Probleme hatten, über alle ihnen zugeteilten Personen und Aufgaben den Überblick zu behalten. So kam es, dass manchmal Leute 10 oder sogar 15 Minuten zum Handeln bereit an ihrem ihnen zugewiesenen Tampen standen und dann keine weiteren Anweisungen erhielten, weil ihr Wachführer gerade gleichzeitig mit etwas anderem beschäftigt war.
Unsere erste Halse dauerte so über eine Stunde. Zugegeben, das ist nicht perfekt, doch dafür, dass es unsere erste Halse war, die wir komplett selbstständig fuhren, waren wir wirklich gut.
Denn kein einziges Mal musste ein Erwachsener eingreifen, weil wir nichts wirklich falsch machten, das gefährlich hätte sein können. Man muss sich das einmal vorstellen: Auf dem Schiff gibt es 116 verschiedene Tampen, über deren Ort, Funktion und Wechselspiel mit anderen Tampen man den Überblick behalten muss. Will man nur einen einzigen Tampen durchholen, z.B. um ein Segel zu hissen, müssen im Normalfall gleichzeitig bis zu drei andere Tampen aufgefiert werden. Das alles muss koordiniert und im Blick behalten werden. Es war wirklich eine große Herausforderung, der sich die Wachführer, Kapitänin und die gesamte Schülerschaft gestellt haben und die wir zusammen gut meisterten. Und wir lernten aus unseren Erfahrungen: Bei der zweiten Halse am Nachmittag brauchten wir nur noch eine halbe Stunde.
Doch der Tag hatte auch in anderer Hinsicht noch eine Besonderheit zu bieten. Carla, ein Mitglied des Segelstamms, hatte an diesem Tag Geburtstag. Deshalb gab es am Nachmittag Zimtschnecken statt Kuchen und ihr Lieblingsessen am Abend, eine köstliche Spinat-Lasagne.
Abgerundet wurde der Tag mit dem plötzlichen Auftauchen einer Delfinschule von über 30 Tieren, die in der Bugwelle spielten. Unsere letzte Walsichtung lag nun schon über eine Woche zurück und alle erfreuten sich des Anblicks der Delfine, während langsam die Sonne unterging. Der Tag war wirklich sehr ereignisreich!