Seh‘ die See und geh‘ den Gang

Schüler Paul

von Paul

Seh‘ die See und geh‘ den Gang

Alles, was man auf dem Dreimasttoppsegelschoner Thor Heyerdahl tut – oder zu tun versucht – wird auf Seeetappen zwangsläufig von einer, den Landbewohnern kaum bewussten Kraft gesteuert. Doch weder zauberhafte Magie noch große Physik haben hier ihre Finger im Spiel: Es handelt sich um den Seegang.

Nichts ist für den Alltag an Bord prägender und die Besatzung muss sich den Naturgewalten um sie herum im Rahmen ihrer Möglichkeiten anpassen. Dieser Prozess setzt an einer erstaunlichen grundlegenden Stelle an; dem Laufen. Man sollte meinen, diese Grundfähigkeit bliebe keinem der Segler verwehrt, tatsächlich aber bereitete der raue Ozean schon so manch kühnem Ausflug ein jähes Ende. Zielgerichtete Märsche in Richtung der Proviantlast endeten überraschend am Großmast. Bei kleineren Unfällen sollte der betroffene Seemann allerdings nicht darauf hoffen, großes Mitgefühl zu erhalten. Gesteigert wird die Gefahr des Vom-Weg-Abkommens zusätzlich durch unzureichend gesicherte Türen. Eben fiel man noch sicher gegen die Wand, die nahe dran war, ein Fußboden zu werden, und schon rammt man aus versehen mit der Schulter eine Kammertür ein und stürzt in das Refugium der irritierten Kammerbewohner. Mit etwas Glück fällt man allerdings nach kurzem Fall auf die Beine zurück und kann sich wieder fangen.

Zusätzlich verkompliziert werden auch jegliche Verstauungsprozesse. Kaffee auffüllen ist kein Problem? Eine gewagte These an Bord eines Schiffes. Besonders im Zusammenspiel mit heißen Substanzen sollte man penibel darauf achten, dass alle Behälter und man selbst, wenn man sie von Ort zu Ort chauffiert, ausreichend gesichert sind, um etwaige Unfälle zu vermeiden. Selbiges gilt für alles andere, das man Zuhause achtlos auf Tischen stehen und liegen lassen würde. In allen Fällen gilt: Die Anti-Rutschdecke ist des Seemans bester Freund. Auf solchen Utensilien platziert wagt es kaum ein Laptop, sich auf eine Rutschfahrt ins Nirvana zu begeben.

Wirklich anstrengend wird der Seegang besonders, wenn man sich gar nicht an die oben beschriebenen Prozesse heranwagt, weil man fürchten muss, sein Inneres nach außen zu kehren, die Fische zu füttern oder zu zeigen, was in einem steckt. Mitunter wünscht eins dieser Seekrankheitsopfer diesen Moment auch herbei, in der Hoffnung er würde die angespannte Magensituation endlich entspannen, doch nur nur selten führt die Kapitulation zum Sieg und die Kranken legen nach einigen Versuchen meist den Fokus wieder auf den Versuch, die unfreiwillige Diät möglichst kurz zu halten, indem sie die „Route to Food“ von ihrer sicheren Koje möglichst kurz halten, nur ausgewählte Speisen essen und keine unnötige Zeit außerhalb von Bett- und Deckbereich zu verbringen.

Der Seegang mag zwar den Alltag an Bord fest in seiner Hand halten, unterkriegen lässt sich von ihm jedoch niemand. Nach wenigen Tagen gewöhnt man sich an alles, außer vielleicht an die einbrechenden Türen.

PS: Alles Gute zum Geburtstag Alena.

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