Tagesablauf auf der Thor Heyerdahl – ganz anders oder doch normal?

Cajetan

Datum: Montag, der 23.10.2017
Mittagsposition: Nord-Ostsee-Kanal
Etmal: 23sm
Wetter: Lufttemperatur: 13°C, Wassertemperatur: 12°C, Wind: ESE 1-2
Autor: Cajetan

Laaaaanng – Kurz – Laaaaanng! Signal K ertönt laut! Der gesamte Segelstamm, sowie Lehrer/innen und Schüler/innen lassen alles stehen und liegen und gehen an Deck. Dort wartet auch schon der Wachführer und kontrolliert die Anwesenheit. Nachdem unser Wachführer Sven „Wache zwei alle vollständig“, d.h. dass alle anwesend und bereit zum Ausführen des Manöver sind, gemeldet hat, wirbeln schon lauter Begriffe und Anweisungen über das Schiff und jeder, der noch nicht so oft segeln war oder die Begrifflichkeiten noch nicht so gut kennt, versucht diese so gut wie nur möglich auszuführen. „Anker kann nicht eingeholt werden!“, rufen nun die Schüler/innen dem Wachführer zu. Das hat gerade noch gefehlt. Erstes Manöver, erste Panne. Zum Glück ist unser Maschinist Jens nicht weit, der das Problem schnell und ohne weitere Verzögerung lösen kann. Und auf geht‘s!

Der Tag begann mit einem Wecken um 6:30 Uhr. Für uns war es die erste Nacht auf See, da wir Freitag sowie Samstag mit der Thor Heyerdahl „nur“ im Hafen gelegen hatten. Zwar ankerten wir über Nacht gegenüber der Schleuse zum Nord-Ostsee-Kanal, aber es war trotzdem etwas anderes, da wir unter anderem kein Land in Fußreichweite hatten. Für das Ankern über Nacht wurden Ankerwachen, die auf das Schiff, während alle anderen schlafen, aufpassen, in Schichten eingeteilt. Deshalb, aber auch weil sie nicht ins Bett gehen wollten, sind auch viele müde. Nach dem Wecken machten wir uns also fertig für das am Abend vorher angekündigte Signal K, das bedeutet, dass „All hands an Deck“ gebraucht werden, also alle sollen unverzüglich an Deck kommen. Kurz vor sieben ertönt das Signal K (Lang-Kurz-Lang) so laut, sodass man es im ganzen Schiff hört. Nun gehen wir an Deck und stellen uns in unsere vier Wachen auf. Hier bekommt jede Wache einen anderen Zuständigkeitsbereich, der vom Wachführer nochmals für uns noch unerfahrenen Schüler/innen erklärt wird. Nach der kurzen Wachbesprechung, in der die Aufgaben innerhalb der Wache verteilt werden, führen wir unsere Aufgaben nach Kommando aus.

Auch wenn wir diesmal, im Gegensatz zum Ablegen am Tag davor, keine ExKUSis zum Helfen haben, meistern wir die Aufgabe, das „Rescue-Boot“ auf das Schiff zu holen, gut. Dazu müssen wir eine Menge „Tampen“ (=Seile) „durchholen“ (=(an-)ziehen) und „auffieren“ (=kontrolliert nachlassen). Danach führen wir die Order „fest & belegen“ durch, d.h., dass man den Tampen festhält, festmacht und aufräumt. Das „Rescue-Boot“ musste nur vorher unseren Steuermann Uli, der uns bis England begleiten wird, abholen.

Trotz Müdigkeit, Dunkelheit und Nebel, aufgrund der Uhrzeit, sind alle hochmotiviert, dieses Manöver in der morgendlichen Kälte und dem Nieselregen ohne Fehler zu bewältigen. Auch dass die Ankermaschine den Anker nicht hoch holen will, bringt uns nicht aus der Spur. Dafür haben wir ja unseren Maschinisten, Jens, der dieses Problem auch innerhalb weniger Minuten löst. Während wir warten, dass das Problem behoben wird, überkommt uns keine Langeweile, da wir interessiert der Arbeit zuschauen und dazu Fragen stellen.
Um 0830, das steht für 8:30 Uhr, sind wir mit dem Manöver fertig und nach einer kurzen Wachbesprechung „dürfen“ wir, damit uns ja nicht langweilig wird, Kartoffeln für das Mittagessen schälen. Da Kartoffeln schälen nicht das Spannendste im Leben ist, machen wir einen Wettbewerb daraus: Die längste Kartoffelschale gewinnt! Benno gewinnt die Challenge und wird „Kartoffelkönig“ (Er hatte aber vorher zu Hause fleißig geübt 🙂 ).

Erst nach dem Passieren der Schleuse gab es das lang ersehnte Frühstück, da Manöver immer Vorrang haben. Kurz nach elf stellt uns unser Kapitän Detlef die Wetterprognose für die nächsten Tage und die daraus resultierende Fahrverhalten vor. Noch vor dem Mittagessen bieten die einzelnen Wachführer die Möglichkeit, ins Rigg (= Bereich oberhalb des Decks, also wo die Segel, Masten etc. sich befinden) zu klettern und manche Wachen müssen auch putzen. Auch sollen wir wegen der Wetterprognose die Thor Heyerdahl „seeklar“ machen, d.h., dass wir auf dem Schiff Laufleinen zum sicheren Fortbewegen und auf der Luv-Seite (windzugewandte Seite) alle Oberlichter und Schotts schließen, damit kein Regen oder Wellen ins Schiff kommen. Obwohl ich leichte Höhenangst habe, genieße ich die wenige Zeit im Rigg und habe tatsächlich keine Probleme mit der Höhe dort oben. Nach dem schönen Erlebnis im Rigg helfe ich, mit kurzer Unterbrechung wegen des Mittagessens, als Projekt-Assistent noch Ruth, Organisatorisches, wie den Wachplan oder den Tassennummerplan zu klären bzw. zu erstellen.

Um 1530 stoße ich zur Wache und darf auch gleich mal das Ruder übernehmen. Ich bin noch keine 5 Minuten am Ruder und schon wartet die nächste Aufgabe auf mich: Ein schnelleres Frachtschiff will uns überholen. Dies ist natürlich bei dem Nord-Ostsee-Kanal nicht das Leichteste, aber auch das bewältige ich mithilfe eines erfahrenen Lehrers gut. Nach dieser etwas größeren Herausforderung verläuft die restliche Wachzeit relativ „normal“ ab. Wir machen noch unsere Sicherheitsrunde und wecken die nächste Wache.

Und schon nach einer halben Stunde steht dann auch die nächste Wache zu unserer Ablösung bereit. Dieser Wache übergeben wir das Kommando und erzählen, was sie zu beachten haben. Nun kommt es zur traditionellen Ablösung. Wir als abziehende Wache stehen auf der Steuerbord-Seite, während die aufziehende Wache auf der Backbord-Seite steht. Dann fängt auch schon die abziehende Wache an: „Die abziehende Wache wünscht der aufziehenden Wache eine goude Wacht.“ Und nun antwortet die aufziehende Wache: „Die aufziehende Wache wünscht der abziehenden Wache eine goude Ruh.“ Nach diesen traditionellen Worten, die am Ende jedes Wachwechsels gesprochen werden, hat die neue Wache offiziell Dienst.

Kurz nach Wachwechsel ertönt heute schon zum zweiten Mal Signal K, auch jetzt gehen wir wieder alle an Deck. Diesmal schleusen wir nämlich gleich aus dem Nord-Ostsee-Kanal aus und kommen über die Elbe in die Nordsee. Reibungslos, wie bei echten Profis, verläuft dieses Manöver und danach gibt es für unsere Wache zwei früher Abendessen, da wir die Wache von 0200 bis 0500 haben. Aufgrund dieses Schlafraubes gehen die meisten von Wache zwei früh ins Bett.

Der heutige Tag war auf jeden Fall ein ereignisreicher und spannender Tag. Gleich mit einem Manöver zu beginnen ist natürlich nicht ganz einfach, aber unter Anleitung haben wir das auch super gemeistert. Bald schaffen wir das auch ohne! Auch lernten wir viel und freuen uns schon sehr auf die vor uns liegende Zeit! Wenn ich ein „Instagram-Post“ machen müsste, würde ich einmal #super Tag und #leicht seekrank „posten“. Dass wir jetzt erst mal für sechs Monate unsere Eltern nicht sehen, haben wir alle akzeptiert, vielleicht auch verdrängt oder vergessen, aber weinen war gestern und ab heute überwiegt sicher die Vorfreude auf unsere große Reise. Damit ihr Eltern, Geschwister und Verwandte das nicht falsch versteht: Wir lieben euch alle von ganzen Herzen und freuen uns, euch in sechs Monaten wiederzusehen!

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