Gustav, die Glocke

Philipp

Hey! Ich bin Gustav, die Glocke in der Messe. Ich hänge direkt beim Eingang der Messe durch den Gang an Backbord. Unter mir ist das Laptopfach und schräg links vor mir der Niedergang. Rechts und links sehe ich außerdem die Tischreihen mit den Bänken. Leider ist dieser blöde Niedergang immer im Weg. Mich würde mal so sehr interessieren, was es denn hinter ihm noch alles gibt. Vielleicht noch mehr Bilder so wie in der restlichen Messe, unterschrieben von Thor Heyerdahl?

Mir ist eigentlich den ganzen Tag langweilig, mir bleibt schließlich nichts anderes übrig als abzuhängen. Um mich herum geht es allerdings oft relativ heiß her. Wenn es draußen warm ist, bin ich meistens alleine und spüre das Deck über mir, wenn immer alle herumtrampeln. Meistens lausche ich dann den anderen Glocken. Meine kleine Schwester aus der Kombüse kommt dann noch öfter zum Einsatz, weil sie immer zum Versammeln und zum Ruhe bringen verwendet wird. Sie wird immer arroganter deshalb. Dann ist da noch mein großer Bruder. Die Schiffsglocke. Er wird immer gleich verwendet. Nur wenn die Schiffsleitung die Schüler/innen versammeln möchte. Ob Alarm, Signal K, Schiffsversammlung oder Böeneinfall. Da das trotzdem nicht so oft eintritt, hat er die meiste Zeit nichts zu tun. Nur immer um 12.00 Uhr wird er einmal geklingelt und gibt dann das Zeichen an meinen guten Freund. Der Arme hängt da ganz alleine vorne auf der Back und wird nur zum Glasen um 12.00 Uhr verwendet. Ganz selten wird er auch beim Ankermanöver zur Kommunikation verwendet. Er ist deswegen mein Freund, weil er mir sehr ähnlich sieht. Ich bin nur ein bisschen kleiner.

Langsam kommt allerdings wieder die Zeit, in der ich wichtiger bin als meine Schwester. Das lange Abhängen hat ein Ende! Es wird kälter und immer öfter und mehr KuSis versammeln sich zu bestimmten Anlässen in der Messe. Bald schon bin ich wieder dafür zuständig, die Aufmerksamkeit der Schüler/innen und Stammcrew auf Ansagen, oder Referate zu ziehen.

Manchmal kommen dann auch die Schüler/innen in die Messe – und zwar nur die Schüler/innen. Sie nennen es Schülerversammlung, aber für mich brüllen sie sich nur über Banalitäten an. Dabei stehen zwei im Gang und versuchen das ganze zu koordinieren. Wenn es zu laut wird, werde ich einmal geläutet und dann sind sie wieder für ein paar Sekunden aufmerksam. Ich kann allerdings sehr laut sein und das stört viele. Im Gegensatz zu meinem Freund werde ich nur sehr selten poliert. Ich muss zwar auch nicht da draußen rumhängen, trotzdem würde mir ein bisschen mehr Pflege gut tun. Allerdings hat mich Cajo das letzte Mal poliert. Mit gebrochenem Arm! Das war echt cool.

Doch auch wenn ich nicht viel zu tun habe, bekomme ich viel mit. Über die Gespräche am Frühstückstisch erfahre ich sehr viel über das Schiff und das Umfeld, obwohl ich noch nie was anderes außer die Messe und den Niedergang gesehen habe. Manchmal stolpern die KuSis auch herum und manche liegen furchtbar krank in den Ecken. Sie erzählen dann immer was von Wellen und Seegang, doch ich spüre in meiner drehbaren Halterung davon fast nichts. Dann ist wieder Unterricht. Der ist oft sehr interessant und auch lustig für die KuSis.

Manchmal müssen aber auch erst Banalitäten geklärt werden, wie heißt es: „Kemie, Chemie, oder Schemie?“. Das kann ich nicht ganz verstehen, aber das muss ich auch nicht. Am Nachmittag sehe ich oft Schüler/innen, die arbeiten. Sie holen sich Laptops und schreiben Zeug. Am zweiten Tisch an Backbord sitzt zum Beispiel gerade einer von ihnen, tippt irgendwas in seinen Laptop und schaut immer wieder zu mir her. Ich glaube er vertippt sich oft, weil er ständig auf die Löschtaste drücken muss. Einen Tisch weiter sitzt ein anderer mit einem Kopfhörer im Ohr und macht irgendwas mit Bildern, ich glaube der Schüler heißt Paul.

Zum Abendessen, das es derzeit noch draußen gibt, kommen trotzdem immer viele in die Messe, um sich vor dem Wind zu schützen. Dieses Wort höre ich sehr oft, ich weiß aber nicht was es bedeutet. Mein Freund hat mir schon sehr viel dazu erzählt und an sich glaube ich, ist das so ein Luftzug, der immer kommt wenn die Crew den sogenannten „Wurm“ einen riesigen Schlauch, mit Loch oben und unten in die Messe hängt. Dadurch bläst mir immer so ein kleiner Schwall Luft entgegen, der dann den Gang entlang in die Last geht.

Eigentlich würde ich gerne mal mit meinem Freund dort draußen tauschen. Er hat schon so viele Länder gesehen, den Wind vieler Meere im Schlägel gespürt und schon so manches Mal wurde er nass. Gestern zum Beispiel hat er mir erzählt wie eine riesige Welle kam und unser Schiff hochgehoben hat. Danach ist es in ein Wellental gestürzt und ist dabei mit einer solchen Wucht auf das Wasser gekracht, dass die ganze Back von Spritzwasser gebadet wurde. Mein Freund hat sogar schon andere Schiffe gesehen wie das in dem ich hänge – ach der hat so viel zu erzählen.

Auf meinen Bruder bin ich eher weniger neidisch. Der ist zwar etwas Besonderes, also hat mehrere Orte an denen er läuten kann, aber die sind ziemlich langweilig. Der eine hängt in der Ecke unter dem Deckshausniedergang. Da passiert eigentlich gar nichts. Der andere hängt direkt neben mir, manchmal plaudere ich mit meinem Bruder ein bisschen.

Der hat mir einmal was von einem Verwandten erzählt. Er ist zwar keine Glocke aber so etwas Ähnliches. Er ist ein sogenanntes Typhon und kann verdammt laut sein. Allerdings muss er vorher im Gegensatz zu Glocken erst richtig Luft holen und pustet sie dann wie ein Mensch aus. Dadurch ist er sehr laut. Was ich davon halten soll ist mir nicht so recht klar, aber die Schüler/innen finden diesen Klang echt cool und reißen sich darum um 12.00 Uhr zu „typhonieren.“

So, ich muss jetzt aufhören. Gleich ist Referat und ich muss für Ruhe sorgen, weil die Schüler/innen nicht von selber darauf kommen, dass sie schneller fertig wären, wenn es leiser wäre. Das Referat hält ein gewisser Benno, wie ich vorher gehört habe. Irgendetwas über Methan, oder so. Darüber haben sie auch schon im Chemieunterricht gesprochen und ich glaube das hat was mit Ketten aus Kohle zu tun.

Na gut!

Ding Ding Ding!!

PS: Ich denke am 15.2. fest an dich: Alles Gute zum Geburtstag Bro!!

Menu