Aufs offene Meer

PhilipDatum: 22.10.2014
Mittagsposition: Brunsbüttel, Schleuse
Etmal: 0 sm
Wetter: Lufttemperatur: 12° C, Wassertemperatur: 14°C, Wind: NW5
Autor: Philip

Heute sollte es also wirklich losgehen, endlich auf die Nordsee. Doch zuvor war erst einmal Großreinschiff angesagt. Das heißt, dass nicht nur die der Wache zugeteilten Bereiche klar zu machen waren, sondern auch die komplette Koje gründlichst zu reinigen war. Danach stand uns eigentlich nichts mehr im Wege und wir fuhren mit unserem sauberen Zuhause in die Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals. Wir mussten pünktlich los, um mit ablaufender Flut in die Elbe zu kommen, leider mussten wir die ganze Zeit mit Motor fahren, weil der Wind direkt von vorne kam.

Doch so schnell ging es dann doch leider nicht. Wir fuhren in die Schleuse ein, machten die Segel klar, spannten Leichenfänger (Sicherungsnetze über der Reling) und Seile, an denen man sich bei Seegang festhalten kann. Hier wurde mir dann kurzzeitig ein wenig mulmig, was auf dem Meer wohl passieren wird, obwohl in der Schleuse alles ruhig war. Um uns ein wenig die Zeit zu vertreiben, spielten wir „das kotzende Känguru“. Ziel des Spiels ist es, nicht in die Mitte zu kommen und anzusagen, wer in Dreier-Gruppen etwas nachmachen soll. Die anderen versuchen schnellstmöglich auf die Befehle zu reagieren, um nicht selbst in die Mitte zu kommen. Wir waren alle heiß darauf, endlich aufs Meer zu fahren, und nach knapp zwei Stunden lief Wasser durch das Schleusentor, wir wurden nach oben gedrückt und kamen endlich auf der anderen Seite an. Es ging sofort von 0 auf 100: Man spürte es sofort, denn der Wind war viel kräftiger und frischer. Es war plötzlich ein ganz anderes Gefühl, als man Wellen bei Windstärke sechs bis sieben sah. Man fühlte sich doch ganz klein und es war umso beeindruckender, wie wir den Massen entgegen fuhren.
Die meisten von uns erlebten zum ersten Mal die See hautnah. Uns allen wurde noch ein Stück bewusster, was es jetzt heißt, ins endlose Blaue zu fahren. Gefühlt schossen wir durch die breite Elbe, brachen die Wellen, die mächtig dahin rollten und lagen sogar ein bisschen in Krängung. Das Wetter war super, die Sonne war zu sehen und die Stimmung dementsprechend. Alle waren an Deck, hatten ein Lächeln im Gesicht und genossen die Sonne. Ich sah das Wasser bis zum Horizont, wie es sich am Himmel spiegelte und weißer Schaum darauf lag. An Land sah man ab und zu einen kleinen Hafen und viele Windräder, die sich in der Ferne dahin schlängelten.
Wir kamen an Cuxhaven vorbei und es ging auf die Nordsee gegen den Wind. Viele von uns hätten nicht gedacht, dass die Nordsee auch so rau sein kann, da man sie im Sommer vom Urlaub doch ganz anders kannte. Das Ölzeug machte jetzt auf jeden Fall Sinn und bewährte sich. Und jetzt ging es von 100 auf 200 weiter. Es wurden immer weniger andere Schiffe und Container und auch das Land am Horizont verließ uns, bis wir rund um uns herum nur noch Wasser sahen. Das Schiff begann sich immer mehr zu bewegen und man schwankte von Backbord nach Steuerbord, in der Kombüse wurde alles festgeschnallt und ich verstand, warum man sich in die gespannten Seile mit dem Klettergurt einhängen sollte, denn es war am Anfang doch sehr schwierig, festen Halt zu finden.
Mit der Zeit wurde es für die ersten schon unangenehm und sie hingen über der Reling. Da bemerkte man schon die Unterschiede zu Zuhause, als Schwung ins Schiff kam und beim Abendessen deutlich weniger Leute erschienen. Ich war der festen Überzeugung, dass ich definitiv nicht seekrank werden würde, doch gegen Nachmittag musste ich dann doch nachgeben.

Am Tag zuvor wollte ich unbedingt bei den gemeldeten elf Windstärken aufs Wasser, doch letztendlich waren die sechs bis sieben am Anfang definitiv genug, um ins Schaukeln zu kommen.

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