Datum: 23.10.2014
Mittagsposition: 53°52,5′ N; 006°31,6′ W
Etmal: 100 sm
Wetter: Lufttemperatur: 13° C, Wassertemperatur: 14°C, Wind: SSW5
AutorIn: Elena
Sagen wir es einmal so: Hätte ich gewusst, wie dieser Tag ablaufen wird, hätte ich mir einen anderen herausgesucht, um über ihn zu berichten.
Auf der Thor ist heute nämlich eine Krankheit ausgebrochen. Symptome sind Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, schlechte Laune und sehr sehr starke Übelkeit! Richtig, es ist die Seekrankheit.
Doch eigentlich ist die Seekrankheit überhaupt keine „Krankheit“, viel mehr ist es eine Gleichgewichtsstörung. Das Auge sieht beispielsweise unter Deck nicht, dass man selbst schwankt. Die Ohrflüssigkeit schwankt jedoch und sendet somit gegenteilige Signale ans Gehirn. Dies führt in den meisten Fällen zur Übelkeit.
Hier, bei uns auf der Thor, hat das Erbrechen schon die liebevollsten Synonyme bekommen. Darunter zählen: Neptun Opfer bringen, sich das Essen noch einmal durch den Kopf gehen lassen, Fische füttern, „röhrender Hirsch“ spielen, an Poseidon spenden, falsch herum essen, das Essen zweimal genießen…
Alles beschreibt aber einen einzigen Vorgang (ich beschreibe diesen nicht näher), der bei ca. 82% der Personen an Bord mehr oder weniger häufig eintrat. Grob kann man uns in fünf Gruppen einteilen:
1. Sie werden überhaupt nicht seekrank. (Sehr zu beneiden.)
2. Bei ihnen zeigte sich zwar Übelkeit, aber sie mussten sich (noch) nicht übergeben. (Ebenfalls zu beneiden.)
3. Sie haben es einmal getan und danach ging es ihnen wieder gut. (Je nachdem, welcher Gruppe man zugehört, zu beneiden oder nicht.)
4. Mit ihnen geht es wieder bergauf, sie haben aber weiterhin eine Spucktüte als treuen Begleiter für Notfälle. (Nicht wirklich zu beneiden, ich gehöre zu dieser Gruppe.)
5. Sie liegen seit gestern 17h im Bett und die Spucktüte wurde zu ihrem besten Freund. (Sicherlich nicht zu beneiden.)
Großer Hoffnungsträger war der Satz: „Du wirst es überleben!“, und dieser Satz stimmt. Von den Seekranken gab es oft die Antwort „Zum kot***!“ auf die Frage, wie es einem ginge. Zur allgemeinen Erheiterung diente der Witz an der Tafel, als neben dem Hinweis auf den Standort der „Spucktüten“, Gespenster mit der Bezeichnung „Spuktüten“ gemalt wurden. Der Komiker ist jedoch nicht bekannt.
Rührend haben sich die Gruppen gegenseitig geholfen, also viel mehr war es Gruppe eins, zwei und drei, die sich um die wesentlich personenreicheren Gruppen vier und fünf kümmerten. Zwieback und Brühe wurde verteilt, Wachen wurden immer von den gleichen gegangen, in der Backschaft wurde ausgeholfen und ein Ohr um sein „Leid“ zu klagen wurde gegeben.
Das beste gegen Seekrankheit ist unter anderem Schlaf, viel Schlaf, den bekamen wir zum Glück. So kam es, dass ich zum Beispiel 17 von 24 Stunden schlief. Es war schon seltsam, als von den sechs Tischen in der Messe zum Essen gerade einmal eineinhalb besetzt waren. Allgemein herrschte Stille an Bord. Das änderte sich aber, als man das nächste Mal hörte: „Ich brauche noch eine neue Tüte!“
Ein großer Hoffnungsträger ist die Erfahrung, die zeigt nämlich, dass es uns in späterstens zwei bis drei Tagen allen wieder gut geht!